Autor Thema: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg  (Gelesen 15721 mal)

Offline Albis

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #15 am: 08. Januar 2013, 18:16:14 »
Hinzu kommt auch noch das mehr Menschen in Kannenstieg und Neustädter Feld auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind als in Ottersleben und Birnengarten.

Neustädter Feld und Kannenstieg bestehen ja fast nur aus Plattenbauten. Dagegen sind insbesondere im Birnengarten fast nur Eigentumswohnungen und Eigenheime vorhanden. Somit dürften hier auch mehr Autos pro Einwohner existieren als im Norden.

Sozialpolitik wäre, die Straßenbahn dorthin zu bauen, wo die Menschen sie brauchen. Unternehmens- bzw. Wirtschaftspolitik wäre, sie dorthin zu bauen, wo das größte Potenzial an neuen Fahrgästen zu heben ist. Die Folge, dass weniger Autos durch die Stadt fahren, wäre zudem auch im Sinne von Umwelt- und Stadtentwicklungspolitik.

Wenn jemand auf den ÖPNV angewiesen ist, fährt er auch mit dem Bus. Wenn jemand hingegen die Wahl hat, muss er durch ein gutes Angebot davon überzeugt werden, sein Auto stehen zu lassen.

Insofern spräche dies wiederum für eher für die Strecke nach Ottersleben. Wie gesagt, ich wünsche mir beide Strecken.

Offline Octandorand

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #16 am: 08. Januar 2013, 21:39:14 »
Eine Verkehrsnachfrage entscheidet sich nicht über die Anzahl der Ruinen an der Strecke, sondern über die Einwohner die dort wohnen bzw. der anderen Zielorte, die es dort gibt (Arbeitsplätze, Freizeiteinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten). Hätte man in Olvendtedt nichtso viel abgerissen, wäre dort heute jedes zweite Haus eine Ruine. Trotzdem reicht die Nachfrage noch für mittelfristig zwei Tram-Linien...

Nicht auf die Ruinen kommt es an, sondern auf die Anzahl der Leute, die dort hin (und wieder weg) wollen.  :)

Offline Ditmar

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #17 am: 11. Januar 2013, 00:52:59 »
Die exakten Einwohnerzahlen kann man in den Statistischen Monatsberichten auf magdeburg.de ganz genau nachlesen. Und zu Rothensee zählt da nicht nur die historische Ortslage. Außerdem ist Magdeburg eine der wenigen Städte im Osten, die momentan Einwohnerzuwachs haben. Und für den ÖPNV sind nicht nur die reinen Einwohnerzahlen maßgeblich, die in einem Wohngebiet oder Stadtteil wohnen, sondern auch der soziale Status. In einem Eigenheimwohngebiet (wie z.B. Saures Tal in Olvenstedt) schreit kaum einer nach einer ÖPNV-Anbindung, weil alle ein Auto haben. Anders sieht es im Neustädter Feld, im Milchweg und im Kannenstieg aus.

Offline ex-magdeburger

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #18 am: 01. Februar 2013, 16:16:38 »
Ich hole das Thema nochmal hoch, um kurz meinen Senf dazuzugeben:

Ein ganzes Stück zur Demografiefähigkeit der Straßenbahn hat man am 27. Januar symbolisch getan. So hatte meine Oma mit ihren fast 90 Jahren jahrelang das Problem, das sie von ihrem Zuhause (beim Universitätsklinikum) zum Einkaufen (nähe Hst. Raifeisenstraße), nur immer die 3 genommen hat, weil sie sich (damals schon über 80), nicht mehr die Treppe in den Tatras hoch getraut hat. Omi hatte in dem Fall die Alternative, aber das ist eben nicht immer so: Ich weiß nämlich nicht, wie sie seinerzeit immer zum Alten Markt gekommen ist.
Mir selbst ist auch das Herz ein wenig schwer geworden, weil ich mit den Tatras aufgewachsen bin und aus Erzählungen weiß, dass ich auf den Weg zum Kindergarten halb ausgeflippt bin, wenn ein T6 vorfuhr. Aber mit den Tatras schließest man eben eine, gerade in Magdeburg, eine relativ große Kundegruppe aus. Leute wie meine Oma Hilde. :-)

Offline Tatra-Fan

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #19 am: 01. Februar 2013, 18:42:13 »
Tja nur fällt mir dazu ein, als ich klein war ist meine Uroma damals mit stolzen 79 Jahren auch noch mit der Bimmel gefahren und 1988 gab es nur Tatra...also es ging doch damals auch irgendwie...trotzallem Fortschritt muss sein und ist unaufhaltbar.

Offline Albis

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #20 am: 02. Februar 2013, 20:14:01 »
Meine Oma ist noch mit 90 zumindest in Begleitung noch mit der Bahn gefahren. Natürlich auch nur noch mit den NGTs, die in den Neunzigern für sie gerade zur richtigen Zeit kamen.

Offline Ex-Wilhelmstädter

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #21 am: 03. Februar 2013, 17:30:24 »
Meine Oma ist mit über 80 noch mit den alten Straßenbahnwagen gefahren und ist immer reingekommen. Tatras gab es noch nicht, von NGT ganz zu schweigen.  :)

Offline Ex-Wilhelmstädter

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #22 am: 04. Februar 2013, 17:14:48 »
Zur Demografie mal allgemein. Wer sich mal die Zahlen aus Frankreich anschaut, wo ja so intensiv, wie in keinem anderen Land der Straßenbahnneubau vorangetrieben wird, der wird feststellen, dass sich dort, wo Straßenbahnen angeboten werden, die Fahrgastzahlen stetig erhöhen.
« Letzte Änderung: 04. Februar 2013, 18:02:28 von Ex-Wilhelmstädter »

Offline Albis

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #23 am: 04. Februar 2013, 17:54:13 »
@Ex-Wilhelmstädter: Das ist nicht nur in Frankreich so. Man geht allgemein von einem Faktor 1,5 aus, wenn der Schienenbonus zum Tragen kommt.

Offline nachtanschluss

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #24 am: 04. Februar 2013, 22:27:20 »
Es stimmt wirklich, daß in Rothensee zu DDR-Zeiten viele Betriebe angesiedelt waren. Ich nenne hier nur einmal die Stahlgießerei einschließlich Kokerei.
Desweiteren hatte die Deutsche Reichsbahn für den großen Rangierbahnhof einen erheblichen Bedarf an Arbeitskräften, da können uns aber bestimmt andere Mitglieder hier mehr berichten.
So wie die Situation hier im Norden war es die im Süden. Da gab es das SKET, das SKL, den Schwermaschinenbau "Georgi Dimitroff" und Fahlberg List um einige zu nennen.
Eine Arbeitslosigkeit gab es nicht, im Gegenteil, die Betriebe suchten händeringend nach Arbeitskräften. Die Wohnsituation in den 60-er Jahren war in Magdeburg mehr als bescheiden, so daß man sich entschloß, Reform und Nord aus dem Boden zu stampfen. Also für viele Arbeiter gab es dann recht erträgliche Wege von und zur Arbeit.
Und die Straßenbahn hatte zu tun, aber wie! Volle Züge von morgens bis abends, auf der Linie 12 wurden E-Wagen zum Schichtwechsel um 22:00 Uhr eingeschoben.
Für das außerhalb diesen Zeiten arbeitende Volk wurden die legendären Personalwagen gefahren, mit Anschluss an der W.-Pieck-Alle/Karl-Marx.Str. So kamen dann auch noch übrig gebliebenen Pärchen aus dem "Stadt Prag" gut nach Hause.

Das brach nun nach dem Mauerfall alles weg. Den Rest der Geschichte hat wohl fast jeder hier miterlebt.

PS. Das mit den Omis stimmt! Sie sind alle gut in die und aus den Wagen auch ohne Niederflur gekommen. Wir haben alle geholfen. Heute undenkbar!

Offline ex-magdeburger

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #25 am: 05. Februar 2013, 00:40:13 »
Wobei ich muss, sagen, ich bin mir nicht sicher, ob das heute undenkbar wäre. Es mag sicher so sein, das Jugendliche nicht mehr automatisch einer Oma oder einer Mutter mit Kinderwagen in die Tatrawagen helfen. Das liegt aber daran, das die aufgewachsen sind, als sich die Tatrawagen (Ausnahme die 9) massiv auf dem Rückzug befanden. Die denken da nicht dran, weil die es nicht kennengelernt haben. 99% der Fahrgäste nutzen die Straßenbahn gedankenlos. Das ist auch ok so. Außerdem war es früher nie so gut, wie es oft dargestellt wird und es ist heute auch nicht so schlecht wie es oft dargestellt wird (besonders von Leuten über 50). Auch wenn ich gegen Ende der DDR im Kinderwagen saß, bin ich mir doch sehr sicher, dass es auch zu DDR-Zeiten Bengel gab, die der Mutter mit Kind nicht geholfen haben, oder die Oma veralbert haben, weil die mit den (damals neuen) Entwertern nicht zu Recht kam.
Für meine Oma sind die NGTs aber dennoch eine Erleichterung, weil sie nicht auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Ich denke das ist für das Selbstbewusstsein (und damit der Lebensqualität) der alten Leute nicht zu unterschätzen.

Offline nachtanschluss

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #26 am: 05. Februar 2013, 19:31:08 »
Das alles besser war, ist immer eine Floskel, die einem recht locker über die Lippen kommt, ohne das der andere es je behauptet hat.
Unsere Erziehung war halt eine andere. Im Grundschulalter wurde uns gelehrt, wie man sich z.B. als heranwachsender Jugendlicher zu benehmen hat. Sprich Älteren, Gebrechlichen und werdenen Müttern den Sitzplatz in der Bahn oder im Bus anzubieten. Das Ganze war dann gerahmt in sozialistischem Einheitsbrei, hat aber in der Praxis gut funktioniert.
Schlägt man ein MVB Fahrplanheft aus den 70-er oder 80-er Jahren auf, so kann man folgenden Eintrag unter "Werte Fahrgäste" lesen:
Bitte helfen Sie älteren Bürgern, Kindern, Ortsfremden und Fahrgästen mit Gepäck oder Kinderwagen unaufgefordert!
Und da ich selbst in Magdeburg Straßenbahn gefahren habe, standen solche "Banalitäten" nie zur Debatte, es gab natürlich auch die rühmlichen Ausnahmen.

Zustimmen tue ich dem komfortablen Einsteigen in die heutigen NGT's!

Offline Ditmar

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Re: Demografie und Straßenbahn in Magdeburg
« Antwort #27 am: 08. Februar 2013, 01:44:55 »

Und die Straßenbahn hatte zu tun, aber wie! Volle Züge von morgens bis abends, auf der Linie 12 wurden E-Wagen zum Schichtwechsel um 22:00 Uhr eingeschoben.
Für das außerhalb diesen Zeiten arbeitende Volk wurden die legendären Personalwagen gefahren, mit Anschluss an der W.-Pieck-Alle/Karl-Marx.Str. So kamen dann auch noch übrig gebliebenen Pärchen aus dem "Stadt Prag" gut nach Hause.



Das stimmt nur bedingt. Für Nachtarbeiter und Nachtschwärmer gab es immer schon die Nachtanschlüsse an Stadt Prag, die übrigens bis in die 70er Jahre teurer waren als am Tage, also statt 15 m.W. 30 Pfennig. Irgendwann hat man das still und leise abgeschafft - Einheitsstarif. Die Personalwagen waren eigentlich nur für MVB-Mitarbeiter gedacht, um früh zu den Betriebshöfen zu gelangen. Stillschweigend wurden i.A. andere Fahrgäste meist akzeptiert.

 

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