Autor Thema: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog  (Gelesen 23237 mal)

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MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« am: 04. Dezember 2019, 14:39:28 »
MVB startet Ausbildungsblog: Vom Laboranten zum Straßenbahnfahrer


Johannes Lauf vor dem Fahrschulwagen

Wir gewähren ab sofort Einblicke in die Ausbildung eines Straßenbahnfahrers. Im neuen MVB-Blog „Fahrtenschreiber“ berichtet Lehrling Johannes über seine Erlebnisse in der Fahrschule.

Vom biologisch-technischen Assistenten zum Straßenbahnfahrer: Johannes Lauf wollte seinem Leben eine neue Perspektive geben und hat sie bei der MVB gefunden – er erlernt das Straßenbahnfahren.
Auf dem langen Weg von der Schulbank auf den Fahrersitz lässt er nun alle teilhaben. Im neuen Online-Blog der MVB berichtet der 29-Jährige Familienvater von seinen Erfahrungen in der Fahrschule. Vom Einstellungstest bis zur ersten Gefahrenbremsung mit der „Bimmel“- Johannes Lauf spart keine Details aus.

Der neue Blog der MVB ist unter www.mvb-fahrtenschreiber.de zu finden.

Quelle: https://www.mvbnet.de/mvb-startet-ausbildungsblog-vom-laboranten-zum-straszenbahnfahrer/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #1 am: 04. Dezember 2019, 14:41:08 »
Wie alles begann

Dies hier ist der Anfang einer Geschichte, die sich in den nächsten Monaten und Jahren noch fortsetzen soll. Es ist meine Geschichte, die eines Quereinsteigers, der beschlossen hat, seinen gelernten Beruf an den Nagel zu hängen, um etwas gänzlich anderes zu machen.



Mein Name ist Johannes Lauf, ich bin 29 Jahre alt, Vater von zwei Kindern, verheiratet und komme aus Magdeburg. Nach meiner Schulzeit entschied ich mich aus gesundheitlichen Gründen gegen eine Lehre als KFZ-Mechatroniker und wurde stattdessen biologisch-technischer Assistent (im Volksmund auch schlicht „Laborant“). Die Ausbildung war umfangreich, dauerte zwei Jahre, und gleich in der Berufsschule bekam ich die Information: „Wenn Du lange in dem Job arbeiten willst, geh‘ am besten nach Bayern oder Baden-Württemberg. Hier in Norddeutschland ist es schwer, was zu finden.“

Derart motiviert entschloss ich mich, mich nach der Ausbildung freiwillig zum Grundwehrdienst bei der Bundeswehr zu melden. Wer weiß denn schon, wann man später eingezogen wird? Und Vorsicht ist immer besser, als das Nachsehen zu haben, dachte ich mir. Beim „Bund“ verbrachte ich dann einprägsame neun Monate mit vielen freundlichen Menschen in meinem Alter. Die strikte Hierarchie gefiel mir allerdings ebensowenig, wie das Ausführen von für mich unnötig scheinenden Aufgaben. Aus diesem Grund hielt es mich dort nicht unnötig lange und ich war nach einem kalten Winter und einem entspannten Frühling in meiner Stammeinheit wieder Zivilist. Endlich!

Es verschlug mich danach wieder in meine Heimatstadt Magdeburg und dauerte auch nicht lange, bis ich, mithilfe einiger Beziehungen, meinen ersten Arbeitsvertrag bei einer großen Gesundheitseinrichtung unterschrieb. Im Labor galt es, sich in die mir noch unbekannte Welt des Arbeitslebens einzufinden. Haushalt, Arbeit und Beziehung musste man nun lernen, in Einklang miteinander zu bringen. Der Job an der bench (engl. für „Laborbank“) forderte von mir immer mehr Konzentration als Erfüllung und so blieb ein um das andere Mal nur ein anstrengender Tag zurück.

Das war 2011. Nun, acht Jahre, unzählige befristete Verträge und einige Ideen später, bot sich die Möglichkeit, sich beruflich neu zu orientieren. Viele Abende grübelte ich darüber, was mir am meisten Spaß bereiten würde. Noch einen Job, der mehr Stress als Freude machte, wollte ich nicht.



Als Kind fuhr ich immer mit der Straßenbahn zur Schule. Meine Eltern wohnten damals in Reform und ich besuchte die Schule am Westring, wodurch meine Route zuerst mit dem 57er Bus bis nach Sudenburg und von dort mit der Linie 1 zum Westring führte. Ich kann mich heute noch gut an die Mercedes-Busse erinnern, die sich am ehemaligen Oberleitungsbus-Depot an der Brenneckestraße vorbei, den Walmbergsweg hinauf schlängelten. Am meisten war ich aber immer von den Tatra-Straßenbahnen begeistert. Das Heulen der Lüfter, die klapprigen Falttüren, der Geruch nach Öl und Graphit und natürlich das charakteristische, laute „Klack“-Geräusch beim Beschleunigen. Viele Stunden drückte ich mir so an der Scheibe zur Fahrerkabine die Nase platt und war dann fast etwas traurig, als die neuen Bahnen kamen.

All diese Dinge fielen mir im Herbst 2018 wieder ein, und es war ein wirklich tolles Gefühl! Als Magdeburger mit Familie mochte ich natürlich hier bleiben, weshalb ich mich dazu entschloss, eine Bewerbung als Straßenbahnfahrer bei den Magdeburger Verkehrsbetrieben einzusenden um vielleicht mal auf der anderen Seite der Scheibe der Fahrerkabine zu sitzen. Wer weiß, vielleicht steht ja auch mal ein kleiner Enthusiast an meiner Scheibe?

Wie es weiterging, möchte ich euch auf den kommenden Seiten berichten. Ich schreibe alles so, wie ich es selbst empfinde, was bedeutet, dass jemand anderes eventuell andere Erfahrungen gemacht haben kann. Ungeachtet dessen soll dieser Blog, diese Geschichte, ein Einblick in mein Arbeitsleben auf dem Weg an den Sollwertgeber sein und allen Interessierten Spaß am Lesen bieten.

Auf bald! Euer Johannes

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2019/11/18/wie-alles-begann/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #2 am: 04. Dezember 2019, 14:42:16 »
Die Bewerbung



Im Frühjahr 2019 schickte ich meine Bewerbung an das Personalbüro der Magdeburger Verkehrsbetriebe. „Ich mach‘ das jetzt einfach!“ las ich oft auf den Werbeplakaten der MVB in der Innenstadt Magdeburgs und diesen Spruch hatte ich auch im Hinterkopf, als ich meine Mail verfasste.

Zuvor hatte ich mich natürlich reichlich mit dem Thema „Straßenbahnfahrer sein“ befasst. Privat bin ich viel bei dem Onlinenetzwerk Twitter unterwegs und da begegnete ich zufällig einem Straßenbahnfahrer, dem ich im Laufe der Zeit all meine Fragen zum Thema stellen konnte: „Wie sehen Schichten im Fahrdienst aus? Warum hast du dich dort beworben? Was magst du, was nicht?“ und unzählige weitere Fragen durfte ich ihm stellen und bekam dankenswerterweise immer sehr hilfreiche Antworten. Nachdem ich meine Unterlagen eingereicht hatte, musste ich eine Zeit lang warten, bis ich eine Antwort von der MVB bekam.

Gut erinnere ich mich noch heute, wie positiv überrascht ich war, als ich in dem Brief eine Einladung zu einem Workshop im Betriebshof Nord in Rothensee bekam. Diesen Workshop empfand ich als einen sehr gelungenen Versuch der MVB, die Menschen hinter den Bewerbungsmappen zu sehen und damit den sehr förmlichen Bewerbungsprozess menschlicher zu gestalten. Ich hatte nie das Gefühl, im Raum mit 21 unbekannten Menschen zu sitzen. Es bot sich einem die Möglichkeit die anderen Bewerber kennenzulernen und nebenbei auch noch einiges über sich selbst zu erfahren. Die Erfahrungen dieses Tages werden mir bestimmt auch noch in der Zukunft behilflich sein können.

Mein persönliches Highlight war an diesem Tag natürlich der neue Straßenbahn-Fahrschulwagen, den sich alle Teilnehmer ausführlich ansehen durften. Zum ersten Mal auf dem Fahrersitz sitzend, begann ich mich für ein paar Minuten in die Welt der Straßenbahnen zu denken.

Diesen durchweg positiven Eindruck bestärkten auch die beiden MVB-Mitarbeiter, die alle Fragen zur Ausbildung und zum Beruf geduldig und sehr gut beantworten konnten. Der Tag in Nord klang dann nachmittags mit einem Resümee aller Mitstreiter aus. Mit einem der Teilnehmer (der nun in der Ausbildung auch mein Sitznachbar ist) hatte ich fortan sogar privat Kontakt.

Nach diesem eindrucksvollen Tag im Mai verging wieder etwas Zeit, bis mich erneut eine Einladung erreichte. Dieses Mal zum Vorstellungsgespräch in die Otto-von-Guericke Straße, wo sich im Verkehrshaus – dem Hauptverwaltungsgebäude – die Personalabteilung befindet. Danach war ich natürlich ziemlich aufgeregt und konnte es kaum Abwarten, meinen ganzen Enthusiasmus zum Besten geben zu können.

So kam es dann auch, dass mir einem sonnigen Tag im Juni vier sympathische Mitarbeiter der MVB gegenübersaßen. Der Moment, in dem sich alles entscheiden würde, war endlich da. So viele Male ging ich diese Situation in Gedanken durch. „Was ist, wenn das nicht klappt?“, war immer einer der größten Bedenken. Vollkommen unnötiger Stress, stellte sich kurz darauf heraus. Die Zusage zur Ausbildung zum Straßenbahnfahrer im Herbst gab mir nach dem Gespräch der Leiter der Abteilung Betrieb, Herr Wilke. Dabei muss ich vermutlich ziemlich freudestrahlend ausgesehen haben. „Endlich ist es geschafft!“ ging es mir durch den Kopf, als ich kurz darauf wieder an der Haltestelle stand.

Fortlaufend fragten mich nun Verwandte und Freunde, was denn nun nach meinem befristeten Vertrag im Labor sein würde. Von meiner Bewerbung wusste ja bis dato kaum jemand. Die Antwort „Ich darf Straßenbahnfahrer werden!“ sorgte immer wieder für die erstaunte und doch positive Nachfrage: „Das ist ja etwas ganz anderes! Wie kam es dazu?“ Das ist der Grund, meinen Werdegang in diesem Blog festzuhalten und mit allen Interessierten zu teilen.
Vielleicht sehen wir uns ja auch bald „auf der Strecke“, also unterwegs im Fahrdienst? Es würde mich freuen!

Euer Johannes

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2019/11/25/die-bewerbung/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #3 am: 04. Dezember 2019, 14:46:13 »
Der erste Tag

An meinem ersten Ausbildungstag, gegen acht Uhr, stehe ich an der Haltestelle bei mir zu Hause. Es ist zum ersten Mal nach dem Sommer richtig kalt, aber die Sonne scheint, der Himmel ist blau und ich bin ziemlich aufgeregt. Wie werden wohl die Kollegen sein? Wie ist der Fahrlehrer drauf, streng oder locker?


Betriebshof Sudenburg in der Halberstädter Straße

Meine Bahn ist pünktlich und bringt mich, nach einem Umstieg am Hauptgebäude der Magdeburger Verkehrsbetriebe, nach Sudenburg, wo sich das Museumsdepot befindet. Hier werde ich die nächsten fünf Wochen noch mal die Schulbank drücken.

Die roten Backsteingebäude mit den großen Toren der Wagenhalle leuchten in der Morgensonne. Nasses Laub liegt überall herum, ein paar Menschen eilen vorbei. Auf dem kleinen Gelände befinden sich erstaunlich viele Einrichtungen der MVB, wie beispielsweise ein Teil der IT- und Technikabteilung oder auch die Abteilung Aus-, Fort-, und Weiterbildung, also die Fahrschule. Ich laufe durch die kleine Tür neben der Einfahrt auf das Gelände, vorbei an alten Haltestellenschildern und Gleisstücken, bis zur Eingangstür des ersten Hauses.

In einem kleinen Raum im Erdgeschoss des Backsteinbaus an der Straße bin ich am Ziel angekommen. Ein paar Tische stehen aneinandergereiht, winkelförmig um einen Schreibtisch mit einem Computer darauf. Dahinter ein Smartboard. Ringsherum stehen kurze Stücke von verschiedenen Schienentypen in einem Wandregal, große Signalzeichen hängen an der Wand und direkt hinter dem Schreibtisch des Fahrlehrers leuchtet die erste Folie der Präsentation für die neuen Fahrschüler, uns.


Außenansicht der MVB-Fahrschule

Wir, das sind insgesamt neun Personen, acht Fahrschüler als Quereinsteiger und ein Mitarbeiter aus dem Busbereich, der nun auch auf die Schienen möchte und an unserem Durchgang teilnimmt. Zur Begrüßung gibt es eine Vorstellungsrunde aller Kollegen, angefangen bei unserem Fahrlehrer. Detlef Strauchmann ist ein freundlicher Mann mit Brille, dessen langjährige Erfahrung im Bus- und Straßenbahnbetrieb sich unter anderem in zahlreichen Anekdoten aus dem MVB-Alltag bemerkbar macht. Als waschechter Magdeburger scheint er so ziemlich jeden Winkel und jede tückische Stelle auf den Straßen der Landeshauptstadt zu kennen.

Vor mir auf dem Tisch liegt ein Stapel aus Büchern und Heftern. Darin sind sowohl alle wichtigen Unterlagen für den Arbeitsalltag als Straßenbahnfahrer, als auch der Lernstoff für den theoretischen Unterricht. In einem sichtlich mitgenommenen Buch, auf dessen Cover der ehemalige, rote Tatra T4D Fahrschulwagen zu sehen ist, sind zum Beispiel alle Theorie-Fragen abgedruckt. Der Katalog ist extra für die Magdeburger Ausbildung angefertigt worden und hat offensichtlich schon vielen Menschen den Weg auf den Fahrersitz erleichtert.


Schulungsraum der MVB-Fahrschule

Nach den ersten Themen und etwas Organisatorischem, fühle mich gut auf das noch Kommende vorbereitet und bereue es wirklich nicht, mich als Straßenbahnfahrer beworben zu haben. Der Aufbau der Ausbildung (die im Vergleich zur dreijährigen Ausbildung „Fachkraft im Fahrbetrieb“ nur drei Monate dauert) gliedert sich in drei Abschnitte:

        - Theorie à fünf Wochen, mit abschließender Prüfung
        - Praxis à fünf Wochen, ebenfalls mit abschließender Prüfung
        - 15 Lehrfahrten im Linienbetrieb und mit Fahrgästen

Danach darf man dann selbstständig Straßenbahn fahren und die Fahrgäste zur Arbeit, Schule und nach Hause bringen.

Das Tempo der Ausbildung ist beeindruckend schnell und ich überlege kurz, ob ich das wirklich schaffe. Meine neuen Kollegen sind allesamt freundlich, gut gelaunt und der Leitsatz unseres Ausbilders: „Es gibt keine dummen Fragen!“. Somit bin ich jetzt also zuversichtlich, den Weg an den Sollwertgeber zu meistern.

Eine lustige Sache nehme ich aus dem ersten Tag mit: Der erste Sitzplatz in der Bahn, gleich an Tür 1, ist der Stockentenplatz. Humor hat man jedenfalls, unter Straßenbahnern.

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2019/12/02/der-erste-tag/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #4 am: 13. Dezember 2019, 14:45:02 »
Update aus der Ausbildung

Es sind jetzt schon 14 Tage vergangen, seit dem ich meine Ausbildung begonnen habe. Viele Stunden verbrachten wir acht Quereinsteiger schon im Schulungsraum der Fahrschule in Sudenburg. Es ist also Zeit, für ein kleines Update.

Thematisch drehte sich der Unterricht in den letzten Stunden um die internen Richtlinien der Magdeburger Verkehrsbetriebe, die Wiederauffrischung des Wissens über die Straßenverkehrsordnung und um erste technische Grundlagen.


MVB Fahrschulwagen

Meine Kollegen sind alle sehr motiviert bei der Sache und so wird der Unterricht immer von teils regen Gesprächen und Nachfragen begleitet. Das gefällt mir richtig gut, denn man merkt, dass alle interessiert daran sind, das Straßenbahnfahren zu lernen.

Eine erste kleine Exkursion durften wir auch schon mitmachen, denn parallel zu unserem Lehrgang führt die Fahrschule unter anderem auch sogenannte Einweisungsfahrten durch. Dabei werden allen Fahrern der neue Streckenverlauf einer Linie gezeigt. Bei einer sochen Fahrt für eine Buslinie durften wir auch mit, getreu dem Grundsatz: „Kundenservice heißt auch, als Straßenbahnfahrer über den Verlauf der Buslinien im Bilde zu sein“. Bei diesem Ausflug lernten wir die Linie 66 (Westerhüsen – Beyendorf/ Sohlen – Bördepark) kennen, die auf kurzen Abschnitten auf Landstraßen verkehrt und somit etwas ländliches Flair in das Streckennetz der MVB bringt.


Die Buslinie 66 verkehrt ab 15. Dezember 2019 zwischen Westerhüsen, Beyendorf-Sohlen und dem Bördepark.

Danach tauchten wir im Unterricht in die „grüne Bibel“ ein – das Handbuch für Mitarbeiter der MVB. Darin findet man alle wesentlichen und wichtigen Informationen zum Fahrdienst in Magdeburg, wie zum Beispiel Verhaltensregeln bei Unfällen, die Signale und natürlich ein paar Betriebsanleitungen. Eben all das, was man bei seiner täglichen Arbeit benötigen wird.

Täglicher Bestandteil der Ausbildung ist auch die Morgenrunde mit Prüfungsfragen. Darin besprechen wir jeden Tag Fragen aus dem Prüfungskatalog. So lassen sich auch gleich viele nützliche Beispiele aus dem Berufsleben unseres Fahrlehrers mit den Antworten der Prüfungsfragen verknüpfen. Die Morgenrunde bereitet mich auch mental gut auf die theoretische Prüfung vor, da einem die Fragen alle schon einmal im Unterricht begegneten. Es erwartet einen also nichts gänzlich Unbekanntes.

Heute gab es wieder etwas praktischen Unterricht, wenngleich noch nicht auf dem Fahrschulwagen. Mit einem rot-weiß-gestreiften, massiven Metallstab (dem Weichenstelleisen) ausgerüstet, konnten wir uns einmal selbst im Stellen von Weichen probieren. Ich war überrascht, wie schwer das ging! Ich musste schon einiges an Kraft in den Armen aufwenden, um die flexiblen Teile der Weiche, die sogenannten Zungen, in die andere Fahrrichtung zu legen.


Während der Ausbildung zum Straßenbahnfahrer wird auch das Weichenstellen geübt.

Aber keine Angst, als Straßenbahnfahrer muss niemand im Dienst ständig aussteigen und Weichen stellen. Das übernimmt normalerweise ein Motor unterhalb der Weiche, der von einem kleinen Computer in der Straßenbahn angesteuert wird. Jede Straßenbahn hat solch ein Gerät und kann damit alle Weichen, die auf dem Linienweg liegen aus einiger Entfernung stellen. Sehr praktisch, wie ich finde.


Ein Blick ins Innere des Fahrstrom-Unterwerks: Übergabetrafo Hochspannung

Für die kommenden Tage stehen, neben dem Theorieunterricht im Schulungsraum, noch ein paar praxisnahe Stunden auf dem Plan. Wir dürfen einen Blick in ein Fahrstrom-Unterwerk werfen. Dort wird der Strom für die Straßenbahnen aufbereitet und in die Oberleitung eingespeist. Außerdem machen wir einen Rundgang über den Betriebshof Sudenburg und schauen uns die historischen Wagen an.

Natürlich nehme ich auch dorthin wieder meine Kamera mit und werde euch davon berichten!

Bis demnächst,
euer Johannes

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2019/12/13/update-aus-der-ausbildung/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #5 am: 26. Dezember 2019, 09:07:30 »
Die Praxisausbildung

Nach ein paar freien Tagen stand nun die theoretische Prüfung an. In den vorausgegangen Unterrichtsstunden konnten wir noch einmal intensiv alle Prüfungsfragen üben und hatten dabei auch viele hilfreiche Tipps von unserem Fahrlehrer. Die Prüfung selbst war dann selbstverständlich etwas förmlicher als unsere Übung im Unterricht, nicht zuletzt auch deshalb, weil vor uns unser Prüfer saß.

Nachdem alle Fragebögen ausgeteilt wurden, begann die schweigsame dreiviertel Stunde. Frage für Frage arbeitete ich mich die Liste entlang, bis ich am Ende angelangt war. Um sicherzustellen, dass ich alles richtig beantwortet habe, ging ich nochmal alles durch. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Nach der Abgabe meiner Fragebögen wartete ich mit den anderen Kollegen zusammen noch einen Moment an der frischen Luft, bis es schließlich an die Auswertung ging. Unser Prüfer ist mit uns alle Fehler noch einmal durchgegangen, um festzustellen, ob diese durch fehlendes Wissen oder Aufregung entstanden sind.

Die Laune in den Bänken war ausgelassen: wir hatten alle bestanden! Als kleines Einstandsgeschenk gab es für jeden eine Warnweste mit Firmenlogo. Die ist übrigens immer Pflicht, wenn man sich während des Dienstes im öffentlichen Straßenverkehr bewegt, zum Beispiel, wenn man mal eine Weiche per Hand stellen muss.

Unsere Warnwesten kamen bei der anschließenden Begehung des Hasselbachplatzes gleich zum Einsatz. Dort konnten wir uns die Funktionsweise der Fahrsignalanlage (eine Ampel nur für Straßenbahnen untereinander) anschauen. Eine praktische Einrichtung, denn dadurch werden die Fahrzeiten der Straßenbahnen verkürzt, was natürlich gut für unsere Fahrgäste ist.

Nach einer spannenden Stunde an der frischen Luft stiegen wir in die nächste Bahn zum Verkehrshaus, dem Hauptsitz der MVB in der Otto-von-Guericke Straße. Hier haben wir einen Einblick in die „heiligen Hallen“ des Betriebsdienstes bekommen: die Leitstelle. In der Leitstelle laufen alle Funkgespräche zusammen, werden Fahrzeuge im Umleitungsfall koordiniert, Unfälle und Störungen bearbeitet und die Stromversorgung überwacht.


Immer jemand da: die Leitstelle.

Hier gibt es immer einen Ansprechpartner für alle Mitarbeiter im Betriebsdienst, wenn man Hilfe braucht oder etwas melden möchte. Die Kollegen der Leitstelle zeigten uns, welche Informationen man zu den einzelnen Fahrzeugen bekommen kann. So sieht man auf den großen Bildschirmen beispielsweise die Verspätung einzelner Wagen, eine Karte, auf der sich farbige Punkte (Busse und Bahnen) bewegen und eine Liste mit ankommenden Funkgesprächen. So können die Disponenten genau im richtigen Moment alle wichtigen Daten bereithalten, sollte es etwa beispielsweise zu einem Unfall gekommen sein.

Gleich am nächsten Tag ging es dann an‘s Eingemachte. Morgens, bei leichtem Nieselregen, trafen wir uns auf dem Betriebshof in Rothensee, ganz im Norden der Stadt. Hier stehen viele der Magdeburger Straßenbahnen über Nacht, bis zu ihrem nächsten Einsatz. Außerdem liegt hier eine von drei Werkstätten. Die Kollegen der Technikabteilung kümmern sich um alles, was mit unseren Straßenbahn zu tun hat, vom Sitz im ersten Wagen bis zum Fahrmotor ist alles dabei.

Nach einer kurzen Besichtigung der Betriebshofwarte gingen wir zu unserem auffälig lackierten Fahrschulwagen. Auf einem Gleis hinter der Werkstatt stand er da im Regen und es schien fast ein wenig so, als würde er schlafen.


Wagen 701 wartet auf den Einsatz.

Ein paar Minuten später saßen wir alle im Fahrzeug an unseren Plätzen, an denen jeweils auch ein kleiner Tisch montiert ist und hörten den Erklärungen unseres zweiten Fahrlehrers, Steven Rausch, zu. Er schilderte uns die Schritte, die nötig sind, damit wir mit dem Wagen 701 – so die interne Bezeichnung unseres Fahrschulwagens – fahren können. Etliche Schritte und ein paar Minuten sind nötig, bis man aus dem kalten, stillen und dunkeln Wagen ein fahrbereites Fahrzeug mit Licht, Geräuschen, Wärme und, vor allem, Antriebskraft gemacht hat.
Jetzt war es endlich soweit! Der Moment, auf den ich schon so lange hingefiebert hatte, war endlich da. Ich durfte zum ersten Mal selbst eine Straßenbahn steuern. Was für ein tolles Gefühl!

Unter den wachsamen Blicken und der detaillierten Anleitung von Herrn Rausch bereitete ich zunächst die Tram für die Abfahrt vor. Dann drückte ich den Sollwertgeber (so heißt das „Gas- bzw. Bremspedal“ der Straßenbahn) nach vorn und mit einem leichten Surren setzte sich die 17 Tonnen schwere Bahn bedächtig in Bewegung. Die erste Fahrt wurde auch prompt mit lautem Geklingel beendet, denn jede Bahn hat eine Sicherungseinrichtung, den sogenannten „Totmann-Schalter“. Dieser muss ständig betätigt werden, sonst bremst die Straßenbahn selbstständig bis zum Stillstand mit einer Gefahrenbremsung. Dadurch wird das Unfallrisiko verringert, wenn der Fahrer einmal in Ohnmacht fallen sollte.

Als Anfänger achtet man darauf natürlich nicht und so bringt einen diese Einrichtung prompt zum Stehen – und das nicht nur ein Mal. Halb so wild, aller Anfang ist schwer. Glücklicherweise war ich nicht allein, denn meinen Kollegen ging es ähnlich. Die Totmannschaltung hörten wir noch einige Male an diesem Tag.



Nachdem wir alle je eine Runde auf dem Betriebshof gedreht hatten, ging es auch auf den ersten Abschnitt im Streckennetz außerhalb des Straßenbahndepots. Hier bekam man zum ersten Mal ein Gefühl dafür, worauf man als Straßenbahnfahrer alles achten muss. Oberleitung, Schienen, Weichen, Signale und, vor allem, andere Menschen und Autos! Eine schier unüberschaubare Menge an Informationen prasselten auf mich ein.

Natürlich kann das niemand auf Anhieb und so war ich sehr froh, dass unser Fahrlehrer immer die richtige Anleitung parat hatte. Immer mit der Hand am Not-aus-Taster saß er neben mir und schaute mit Argus-Augen auf den Straßenverkehr. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt so viel gleichzeitig beachten musste. Dennoch machte es ziemlich viel Freude, mit der Straßenbahn dort entlang zu fahren, wo man bisher sonst nur mit dem Fahrrad oder Auto entlang kam.

An den folgenden Tagen sammelten wir dann die ersten Streckenkenntnisse im Stadtgebiet. Wir fuhren immer im Wechsel von Wendeschleife zu Wendeschleife, wo dann jeweils der nächste an der Reihe war: Barleber See, Neustädter See, Cracau und Diesdorf sind nur ein paar Beispiele für die ersten Ausflugsziele. In Reform standen sogar meine Großeltern an der Haltestelle und haben ein Foto für das Familienalbum gemacht, das hat mich sehr gefreut.

Der Fahrschulwagen wird von uns nach dem Feierabend noch gereinigt, der Sandvorrat wird aufgefüllt und dann darf sich auch „unser“ 701 über in der Wagenhalle ausruhen. In ein paar Wochen werde ich noch mal mehr zu den Betriebshöfen schreiben können, denn dann werden wir eine sogenannte Betriebshofeinweisung erhalten. Nur mit dieser Einweisung darf man sich als Mitarbeiter auf dem Gelände aufhalten.


Links im Bild: das von Max Grimm gestaltete Toilettenhäuschen am Olvenstedter Platz.

Übrigens: Falls ihr euch schon mal gefragt habt, wo man als Tramkutscher sein Bedürfnis verrichten kann: An jeder Wendeschleife gibt es ein WC. Das ist sogar sehr ordentlich, sauber und – vor allem im Winter wichtig – beheizt.

Auf bald!
Johannes

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2019/12/25/die-praxisausbildung/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #6 am: 31. Januar 2020, 15:42:37 »
Die Typenschulung Teil 1

Es sind nun schon ein paar Wochen vergangen, seitdem ich zum ersten Mal eine Straßenbahn selbst fuhr. Inzwischen bin ich mit dem Umgang des Fahrschulwagens vertraut, ich kenne unser Streckennetz ganz grob und, das hätte ich selbst nicht gedacht: ich kann fast alle Straßenbahnhaltestellen auswendig.

Bevor also Langeweile aufkommt (Anm. d. Autors: Das ist ironisch gemeint! ;), ist es Zeit, sich mit den Straßenbahnen zu befassen, die einem dann nach der Ausbildung auch im täglichen Dienst auf der Linie begegnen. Das nennt sich Typenschulung und dient im Wesentlichen dazu, uns Fahranwärter mit den Fahrzeugtypen bekannt zu machen. Dabei sehen und fahren wir alles, was aktuell noch im Liniendienst unterwegs ist. Sehr zu meiner Freude bedeutet das auch, den alten Hochflurwagen-Typ Tatra T6A2 fahren zu dürfen. In diesen bin ich schon als Kind sehr gern mitgefahren, waren sie doch viel seltener, als die Tatras vom Typ T4D (die mit der runden Fahrzeugfront) und vor allem leiser.


Außenansicht des T6A2 bei Nacht

Am ersten Tag der Ausbildungswoche treffen wir uns um 19 Uhr auf dem Betriebshof Nord in Rothensee. Es ist ziemlich kalt und auf dem Gras glitzert der Raureif im Licht der Laternen. Vor dem kalten Wind flüchte ich mich in das Gebäude des Betriebshofwarts, das übrigens rund um die Uhr besetzt ist. Auf den vielen Bildschirmen werden alle wichtigen Infos angezeigt, die der oder die Kollege/in im Dienst benötigt. Der Betriebshofwart ist ein echter Tausendsassa, denn seine Aufgabe besteht darin, die Schnittstelle zwischen Fahrdienst und Werkstatt zu sein. Unter anderem plant er die nächtliche Aufstellung der Züge im Depot für den nächsten Tag, behält die Durchsichtstermine aller Straßenbahnen im Auge und hilft bei Problemen weiter. Außerdem landen hier alle Fundsachen, die in den Bahnen zurückgelassen wurden. Das sind jetzt im Winter vor allem Handschuhe, Mützen, Schals, aber auch Kleingeld und Kugelschreiber. Am nächsten Morgen werden diese dann abgeholt und ins Fundbüro der MVB gebracht.

„Euer Zug steht auf Gleis 9!“ sagt uns Mario Gordziel, der seit kurzem nach einer internen Weiterbildung auch Betriebhofwart ist. Zuvor war er im Fahrdienst tätig und durch ihn bin ich auch auf das Thema Straßenbahnfahren aufmerksam geworden. „Viel Spaß euch und eine ruhige Nacht!“ wünscht er uns und wir verschwinden, bepackt mit „Fahrschule“-Schildern und einem Hocker, in die kalte Dunkelheit des Betriebshofes. Nach ein paar Dutzend Metern stehen wir vor der Falttür einer alten Tatra-Straßenbahn. Ein dezentes, aber beständiges Summen sagt meinen Ohren, dass die Bahn eingeschaltet und beheizt ist. Die Niederflurbahnen parken auf dem Betriebshof übrigens meistens im „Vorheizmodus“, vor allem im Winter. Zum einen wäre es für die Fahrgäste morgens sehr frostig im Wagen und zum anderen kann auch bei einer Tram mal die Batterie leer sein. Beim Vorheizmodus steht die Bahn sozusagen auf „Stand-by“ und wird leicht geheizt. Das Anschalten bzw. Aufrüsten der Bahn dauert aber auch in diesem Modus seine Zeit.

Doch zurück zur alten Dame, der Tatra T6A2. Über einen versteckten Knopf öffnet unser Ausbilder die Tür der Bahn und wir klettern die drei Stufen hinein und hinauf. Der Charme der Innenausstattung erinnert mich an meine Kindheit. Geriffelter Fußbodenbelag aus Gummi, Schalensitze, Dachluken und die urigen orangefarbenen Warnglocken an der Tür sorgen für ein leichtes Nostalgiegefühl.


Der Fahrerarbeitsplatz im T6A2.

Nach einer kurzen Einführung zum Fahrzeug dürfen wir selbst ran. Die Tatrawagen werden, im Gegensatz zu den neuen Bahnen, mit den Füßen gefahren, ähnlich wie beim Auto. So hat man auf den ersten Metern gut damit zu tun, die richtige Kraft zum Drücken der Pedale herauszufinden. Einmal zu fest in die Bremse getreten, macht der Wagen eine Gefahrenbremsung, bei der es laut klingelt, der Sand vor die Räder gestreut und die Magnetschienenbremse angezogen wird. Man steht also ziemlich abrupt und die Kollegen dann gleich neben einem in der Kabine, angetrieben von dem Ruck der Bremsung.

Nachdem jeder das richtige Mittelmaß gefunden hat, wagen wir uns aus dem Betriebshof raus in die Stadt. In den ersten Haltestellen habe ich genug zu tun, mich an die doch sehr ungewohnte Fahrdynamik zu gewöhnen und verpasse meine Haltepunkte. Übung macht den Meister, heißt es so schön und so drehe ich meine Runden durch die Nacht. An jeder Endstelle wird zwischen den Fahrschülern gewechselt, sodass jeder einmal in den Genuss kommen darf, einen der letzten Tatra T6A2 in Deutschland zu fahren.

Mit Fortschreiten der Nacht werden auch die Straßen leerer. An den Haltestellen stehen wenige Menschen und einige sind etwas betrunken. So halten wir zwar, öffnen aber die Türen nicht, damit niemand versehentlich einsteigt. Unsere Bahn düst um zwei Uhr morgens vorbei an dunklen Fenstern, zugeparkten Straßenrändern, Weihnachtsbeleuchtungen und in der Innensadt natürlich auch an der Magdeburger Lichterwelt, die einem bei jeder Vorbeifahrt Freude bereitet.


Die Magdeburger Lichterwelt aus der Perspektive des Fahrer-Arbeitsplatzes

Kurz vor unserer Einfahrt zum Betriebshof werden wir jedoch gestoppt. Ein Rettungseinsatz. Der RTW steht auf der Straße in unserem Gleis. Warnblinklicht, geschlossene Türen und ausgeschaltetes Licht geben uns zu vermuten, dass der Einsatz im Wohnhaus nebenan stattfindet und wir uns auf etwas Wartezeit einstellen müssen. So stehen wir also morgens um halb drei auf der menschenleeren Straße und warten.

Hier wird einer der wenigen Nachteile der Straßenbahn deutlich: Versperrt etwas das Gleis, kann man nicht weiterfahren. Ein Bus hingegen könnte einfach daran vorbeigelangen. So kann es leicht passieren, dass ein Pkw den kompletten Straßenbahnverkehr lahmlegt, weil er zu dicht an den Schienen steht. Das kommt leider sehr oft vor, wenn Menschen ihr Auto parken, um „nur schnell“ zur Bank oder zum Bäcker zu gehen. Dann warten unter Umständen 225 Menschen (so viele Menschen passen in einen NGT!), weil einer unaufmerksam war.

In unserem Fall geht der Rettungseinsatz natürlich vor und wir nicht voran. Glücklicherweise kam dann zeitnah einer der Sanitäter aus dem Gebäude und machte uns den Weg frei. So erreichten wir kurz vor drei Uhr morgens wieder den Betriebshof Nord.

Inzwischen ist alles auf dem Betriebshof mit einer dicken Schicht Raureif überzogen. Am Tor halten wir unseren Zug an. Einer steigt aus und geht zum Telefon, um uns anzumelden. Der Betriebshofwart am anderen Ende der Leitung teilt uns nun ein Gleis zu, auf dem wir unseren Wagen abstellen können. Dort angekommen, versetzen wir die Straßenbahn wieder in ihren leichten Schlaf, in dem wir sie vorfanden. Licht aus, Tür zu, Feierabend.

Bis dahin, Johannes.

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2020/01/30/die-typenschulung_teil_1/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #7 am: 06. April 2020, 18:22:46 »
Die Typenschulung Teil 2

Am nächsten Tag trafen wir uns wieder um 19 Uhr auf dem Betriebshof Nord, um die nächste Nachtschicht auf dem Tatra T6A2 zu meistern. Da sich der Wagen sehr von den anderen Fahrzeugen des Fuhrparks unterscheidet, sind für die Schulung zwei Tage angesetzt. Dass das richtig so ist, merke ich, als ich zum ersten Mal auf die Bremse trete und feststelle, dass dieser Zug völlig anders reagiert, als jener vom Vortag. Das bedeutet auch: an den ersten Haltestellen muss ich wieder üben, im richtigen Bereich zum Stehen zu kommen.


Nachts stehen die Straßenbahnen auf den Betriebshöfen.

Trotzdem macht es mir große Freude, den „T6“ zu fahren. Schließlich ist er einer der letzten seiner Art in Deutschland und eine kleine YouTube-Berühmtheit, gibt es doch so einige Videos nur von unseren Tatra-Bahnen.

Wenn die Wagen in ein paar Jahren aus dem Liniendienst verschwinden, werde ich vermutlich etwas traurig sein, denn dann ist das letzte Überbleibsel aus meiner Kindheit vergangen. Für unsere Fahrgäste ist das natürlich die beste Option, da der hohe und steile Einstieg weder für ältere Menschen, noch für Rollstühle und Kinderwagen wirklich geeignet ist. Aus diesem Grund fahren die Züge auch nur, wenn kein modernes Fahrzeug auf dieser Linie verfügbar ist, beispielsweise weil es in der Werkstatt steht.

Zum Ende unseres Dienstes müssen wir noch Sand auffüllen. Den verbraucht die alte Tram reichlich, da sie noch nicht so genau dosieren kann wie die neuen Bahnen. So füllen wir Eimer um Eimer in die Kästen. Eimer füllen, zum Wagen gehen, Treppe rauf, einfüllen, Treppe hinunter, zum Vorratsbehälter, Eimer wieder auffüllen – ein kleines Sportprogramm! An Tagen mit viel Laub und Nieselregen kann es vorkommen, dass man etwa 100 kg Sand wuchten muss, einer der Nachteile der alten Bimmel. So viel Sand ist es bei uns nicht, auf gut 25 kg kommen wir trotzdem. Der oder die Kollege/in am nächsten Tag dankt es uns.

    Am dritten Tag unserer Ausbildungswoche lernen wir das Zugpferd der Personenbeförderung in Magdeburg kennen, den NGT 8D.

Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich der etwas kryptisch anmutende Name „Niederflurgelenktriebwagen, 8 Achsen, Drehstrommotor“.

Damit ist für den technikaffinen Leser schon viel zum Fahrzeug gesagt. Den meisten Fahrgästen ist es wahrscheinlich total unwichtig, dass ein Wagen 32,9 Tonnen wiegt, 4 x 95 kW Leistung hat, 32 Meter lang und maximal 65 km/h schnell ist. Für sie ist vor allem eines interessant: Es handelt sich um ein fast barrierefreies Fahrzeug mit breiten Türen, großen Fenstern und sehr wenigen Stufen (nämlich genau vier im gesamten Wagen).


Die Abkürzung NGT steht für Niederflurgelenktriebwagen.

Weiterer großer Pluspunkt im Vergleich zu den Tatra-Wagen ist die geringe Lautstärke während der Fahrt. Auf einem neuen Gleis mit Raseneindeckung ist sowohl im Inneren der Bahn, als auch draußen kaum wahrzunehmen, dass man fährt.

    Das birgt natürlich eine Gefahr, nämlich die des „Überhört-Werdens“.

Für viele Menschen gehört es zur Normalität, sich mit Kopfhörern und Musik im Freien zu bewegen. Musik beim Sport, ein Podcast auf dem Weg zur Arbeit, etwas Netflix an der Haltestelle. Für mich als angehender Straßenbahnfahrer sorgt das immer wieder für Schreckmomente, wenn etwa am Hasselbachplatz jemand einfach vor die Bahn läuft, weil er uns wegen der Kopfhörer nicht wahrnimmt. Natürlich sehe ich diese Situationen meist kommen, dennoch muss ich im Falle eines Falles bremsen und im schlimmsten Fall stürzt jemand im Wagen. Deshalb meine Bitte: Schaut in der Nähe von Schienen kurz mal nach links und rechts. Das hilft euch und uns, gefährliche Situationen zu vermeiden.

Auch mit dem NGT unternehmen wir erste Fahrübungen zuerst auf dem Betriebshof. Vorwärts fahren, bremsen, anhalten. Dann durch den Zug nach hinten gehen. Dort befindet sich die sogenannte Rückfahreinrichtung. Von hier aus können wir die Straßenbahn rückwärts fahren. Bei fast 32 Metern Länge wäre das aus der Fahrerkabine vorn ohne Hilfe nicht möglich und ist zudem auch verboten.

    Vor dem Fahrpult stehend, blicke ich auf die vielen Knöpfe und den großen, schwarzen Hebel.

„Eigentlich genau, wie vorn in der Kabine, nur in Miniatur“, schließt unser Ausbilder Steven Rausch seine Erklärung des Pultes ab. Als ich an der Reihe bin, mache ich alles genau so, wie besprochen. Einmal klingeln, dann den Hebel vorsichtig nach vorn drücken. Mit leisem Surren fährt die Tram nun rückwärts. Ich drücke den Hebel weiter nach vorn und die Bahn beschleunigt. 20 Kilometer in der Stunde kommen einem aus dieser Perspektive ziemlich schnell vor. Zum Anhalten ziehe ich den Hebel zu mir. Mit einem satten Ruck bremst der Wagen und ich muss mich schon gut festhalten, um nicht abzurutschen, als die Bahn zum Stillstand kommt.

Dann geht es hinaus auf die Streckengleise – natürlich wieder vorwärts. Der kräftige Motor ist sofort zu merken. Spielend leicht erreiche ich die 50 km/h und bin schon fast etwas zu schnell für die erste Haltestelle. „Fang ruhig eher an, zu bremsen“, rät mir unser Ausbilder. Es geht weiter mit dem Rhythmus: beschleunigen, rollen lassen, bremsen, anhalten. Nach ein paar Minuten klappt es richtig gut mit dem Treffen der Haltepunkte. Was mir gleich auffällt, ist die deutlich niedrigere Sitzposition, als im Fahrschulwagen oder dem T6 (unser Fahrschulwagen ist immerhin aus einem T6 gebaut, weshalb die Sitzposition fast identisch ist).

    Im NGT sitzt man näher am Geschehen und kann in den Haltestellen auch deutlich besser auf Fahrgäste achten, die noch zur Bahn heran geeilt kommen.


Die Sitzposition im NGT ist deutlich niedriger als im T6.

Da wir eine Fahrschule sind, ihr könnt es euch denken, rennen viele Menschen leider vergeblich zu uns, da sie nicht auf die Zielanzeige der Bahn achten und wir müssen sie stehen lassen.

    Apropos Zur-Bahn-Rennen: Wenn ihr mal spät dran seid, rennt bitte nie vorn um die Bahn herum.

An einer Haltestelle in Stadtfeld beispielsweise wollte ich gerade anfahren, da rannte eine junge Frau von links hinten kommend vor den Wagen. Mit einer Gefahrenbremsung konnte ich Schlimmeres verhindern, dennoch schien sie sich der Gefahr nicht bewusst zu sein. Grundsätzlich ist es natürlich am besten, wenn man die Bahn in der Haltestelle wartend erreicht. Manchmal schafft man das nicht und muss einen kurzen Sprint zur Bahn hinlegen, dann rennt am besten hinter der Bahn rum. Vergesst aber nicht, dass es auch noch andere Straßenbahnen gibt, die ein paar Minuten später von gleicher Stelle aus in dieselbe Richtung fahren. 😉


Fahrschule im NGT

Zum Feierabend wiederholt sich die Prozedur der Vortage. Sand füllen, bei der Leitstelle abmelden, in den Betriebshof fahren, beim Betriebshofwart anmelden, Zug abstellen und alles ausmachen. Fast alles, denn die Heizung bleibt natürlich auf niedriger Stufe („Vorheizmodus“) an. Und dann endlich Feierabend. An diesem Tag hat mein Bett übrigens ziemlich laut nach mir gerufen, denn ich war sehr müde.

Wie das Fahren mit einem großen Zug (NGT mit einem Beiwagen) ist und was man in der neuesten Straßenbahngeneration für tolle Neuerungen eingebaut hat, erfahrt ihr in Teil 3 der Typenschulung.

Bis dahin!
Johannes

P.S.: Schon gewusst? Bei den Magdeburger Verkehrsbetrieben gibt es insgesamt 83 Züge vom Typ NGT. In den Städten Braunschweig, Darmstadt und Gera fahren Straßenbahnen, die denen hier in Magdeburg sehr ähnlich sind. Einfach ausgedrückt sind es „Geschwister“, die sich vor allem in der Breite und Länge der Wagenkästen sowie in der Leistung unterscheiden.

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2020/04/06/die-typenschulung-teil-2/?fbclid=IwAR1ErshGba3rkLCUE8mF6yaU3lfQTB_rJHXI_a9OiPrun9oxKcSlPxagUOY

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #8 am: 21. Juli 2020, 17:36:30 »
Die Typenschulung Teil 3: Von Gigalinern und Faceliftings

Es war Donnerstag, als wir uns, fast schon wie gewohnt, auf dem Betriebshof Nord trafen.
Wieder um 19 Uhr stehen wir vor dem Gebäude des Betriebshofwartes und warten darauf, dass alle Kollegen da sind. Im gleißenden Licht der Scheinwerfer auf dem sonst dunkelen Hof fahren fast im Minutentakt Straßenbahnen ein. Die ein oder andere erkennt man aufgrund ihrer Werbung sofort. Es ist oft noch ungewohnt, hier quasi „hinter den Kulissen“ zu stehen und all die Züge, in denen ich schon einmal Fahrgast war, nun auf den Gleisen aufgereiht für die Ausfahrt am nächsten Morgen zu sehen.
„Die 1307 mit Beiwagen 2207 ist heute euer Zug. Steht auf Gleis 12!“ sagt der Betriebshofwart zu uns. „Gute Fahrt und bis morgen!“ fügt er noch hinzu. Der Kollege hatte an diesem Tag Mitteldienst und wird schon Feierabend haben, wenn wir morgens um 3 Uhr wieder auf dem Hof einfahren werden.


Ein „Gigaliner“ ist 45 m lang!

Heute steht also „Gigaliner“-fahren auf dem Programm. So werden die Zugverbände, bestehend aus einem NGT mit Beiwagen, scherzhaft im Kollegium genannt. Die Beiwagenzüge gibt es seit 2011 bei uns in Magdeburg. Sie sind entstanden, als seinerzeit die letzten Tatra-Großzüge (bestehend aus zwei Triebwagen und einem Beiwagen, macht 45 Meter Straßenbahn!) abgestellt wurden und klar war, dass man Ersatz brauchen würde, da es sonst auf bestimmten Linien zu überfüllten Zügen kommen würde. Auch bei Sportveranstaltungen wie Fuß- und Handballspielen steht nicht genügend Platz in den 30 Meter langen NGT zur Verfügung. So suchte man nach einer Lösung und wurde in Berlin fündig. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG stellten 2009 ihre Tatra B6A2M- Beiwagen (B6A2M steht für „Beiwagen, 6. Serie,“ A2 ist ein Kürzel des Herstellers CKD/Tatra und „M für modernisiert“) ab. Nach der Wiedervereinigng 1990 hatte die BVG umfangreiche Änderungen an ihren Bahnen vorgenommen und dabei vieles dem aktuellen Stand der Technik angepasst. Eine verbesserte Geräuschdämmung zählte dabei ebenso zu den Maßnahmen, wie moderne Außenschwingtüren („unsere“ originalen T6A2 haben noch die Falttüren, die es ab Werk gab),ein anderes Bremssystem und einen modernen Fahrgastraum mit Gegensprechanlage zum Fahrer.

    All diese Ausstattungsmerkmale machten die Wagen zum perfekten Begleiter für die Magdeburger NGT und so kam es, dass ab 2009 insgesamt 12 Beiwagen nach Magdeburg umgezogen sind.

Die Wagen wurden natürlich noch an unsere Fahrzeuge angepasst, damit dann zwei Jahre später 11 NGT mit Beiwagen (auch als NGT+Bw abgekürzt) im Streckennetz unterwegs sein konnten. Diese Zugkombination ist ebenfalls 45 Meter lang und damit vom Platzangebot für die Fahrgäste nahezu identisch zu den alten Tatra-Großzügen.
Gezogen werden die Wagen von den Zügen der ersten Lieferserie, also Wagen 1301 bis 1311, welche allesamt Baujahr 1994 – 1996 sind. Das sieht man ihnen an – am meisten an der heute eigentümlich-wirkenden Farbgestaltung mit türkisfarbenen und pinken Haltestangen. In den 1990-er Jahren war diese Kombination das der letzte Schrei und beispielsweise auch im ICE der Deutschen Bahn anzutreffen. Für mich hatte man eben einfach eine komische Vorstellung von Innenraumdesign, wie ich finde.

Auffälligstes Merkmal in der Fahrerkabine sind zwei zusätzliche Taster im Bedienpult. Damit kann man die Gegensprechanlage bedienen, über die die Fahrgäste aus dem Beiwagen mit dem Fahrer kommunizieren können. Der Fahrgast muss dazu einfach den gelben Knopf der Gegensprechanlage über dem Türtaster drücken. Der Fahrer hört dann den Fahrgast und kann antworten. Natürlich wird dieses „Intercom“-System genannte Gerät nicht nur für seine eigentliche Bestimmung genutzt. Meist drücken Fahrgäste auf den falschen Knopf, wenn sie aussteigen möchten. Hin und wieder kommt es auch vor, dass jemand sich einen Spaß erlaubt und eine Essens-Bestellung ins Mikrofon spricht. Ich kann euch aber versichern: einen Hamburger, eine kleine Pommes und eine Cola zum mitnehmen gibt es bei uns nicht.


NGT und Beiwagen halten fest zusammen.

Nachdem wir uns mit dem Wagen vertraut gemacht haben, fahren wir natürlich auch damit hinaus in das Streckennetz.

    Das Fahrverhalten ist etwas gemächlicher, als beim Solo-NGT. Dennoch erreichen wir die 50 km/h zügig.

In der Ebene fällt mir eins sofort auf: Der Zug rollt sehr lange aus, ohne merklich langsamer zu werden. Hier kommt wieder der Vorteil einer Schienenbahn zum tragen: der sehr geringe Rollwiederstand. So rolle ich mit der Tram die freie Strecke entlang durch die Nacht.

„Wenn Du möchtest, kannst Du hier mal eine Gefahrenbremsung machen, um ein Gefühl für den Anhalteweg zu bekommen“ unterbricht unser Ausbilder das monotone Geräusch der Räder auf den Schienen.
„Gut. Dann bitte alle festhalten!“ rufe ich in den Wagen. Als alle ihr okay gegeben hatten, ziehe ich den Sollwertgeber bis zum Ende nach hinten, um die Notbremsung durchzuführen. Abrupt bremst die Straßenbahn unter ständigem Klingeln und der Zugabe von Sand ab. Die Bremskraft ist immens und mit einem wuchtigen Ruck steht der Wagen nach geschätzten 60 Metern und einigen Sekunden. „Ui, das war hart!“ sind sich alle einig. Eine gebrechliche Person hätte sich nicht aufrecht halten können, ein achtlos abgestelltes Fahrrad wäre umgefallen und hätte andere Menschen verletzen können. Ich muss einen Moment an die Kinder denken, die ich ein paar Tage zuvor in einer Bahn auf dem Weg zum Dienst herumlaufen sah. Die beiden Mädels hätten sich ebensowenig halten können. Ein wenig unwohl ist mir bei dem Gedanken.

    Deshalb apelliere ich an Euch: setzt euch am besten wärend der Fahrt hin oder haltet euch immer gut fest! Ganz wichtig: Wenn Ihr Taschen, Fahrräder oder andere große Sachen bei Euch habt, verstaut diese so, dass sie im Gefahrfall nicht herumfliegen können!

Bei meiner Bremsung waren wir allein im Fahrzeug und alle vorbereitet. Im Alltag kann so eine Gefahrbremsung jederzeit passieren. Nachdem alle ihre Sachen wieder zusammen gesammelt hatten, ging die Fahrt weiter. Hinter jeder Kurve musste ich mich neu daran gewöhnen, dass der Zug fast 45 Meter lang ist und es eine kleine Ewigkeit dauert, bis der letzte Teil des Beiwagens die Kurve verlassen hat. Das ist vor allem Wichtig, wenn man über Weichen fährt. Hier gelten besondere Anweisungen für die Straßenbahnfahrer, was die Geschwindigkeiten anbelangt. So eine Weiche ist eben eine komplexe Sache und möchte mit Sorgfalt behandelt werden. Da kann es einem allzu leicht passieren, dass man zu früh beschleunigt und der Wagen am Ende des Zuges noch nicht von der Weiche herunter ist. Dann würde es ziemlich laut rumpeln und die Belasung für die Schienen wäre stark erhöht. Außerdem wäre es für die Fahrgäste im Beiwagen nicht sehr angenehm, zu schnell durch die Kurve zu fahren. Es erfordert einiges an Konzentration von mir, den „Gigaliner“ mit der richtigen Mischung aus Beschleunigen, rollen lassen und Bremsen durch die Stadt zu bewegen. Viele Male muss ich mich noch einmal ein Stück nach vorn fahren, wenn ich mal wieder zu früh in der Haltestelle zum stehen kam. Hier kann es sonst passieren, dass der Beiwagen noch nicht im Haltestellenbereich steht und die Fußgänger behindern würde.

An der Haltestelle Universitätsbibliothek halten wir schließlich an und es nähert sich eine junge Frau. Da ich die Türen nicht freigegeben habe, drückt sie vergeblich an der zweiten Tür auf den Türöffner. Im Spiegel beobachte ich, was passiert. Sie dreht sich in Richtung Zug-Spitze und läuft nach vorn. Am Gang erkennt man schon, dass sie wohl feste gefeiert hat. Ich mache die erste Tür auf, denn das geht unabhängig von den anderen Türen. „Das ist eine Fahrschule, junge Frau!“ erklärt unser Ausbilder ihr. Sie nickt etwas abwesend. „Ja, da können Sie leider nicht mitfahren“ verdeutlicht er noch einmal. „Ach so. Schade“, sagt sie mit leerem Blick und schlingert zurück zum Haltestellenhäuschen. Eine von vielen kleinen Anekdoten, die mir bei den nächtlichen Touren durch die Stadt widerfahren.

Nach knapp acht Stunden sind wir, kurz vor drei Uhr morgens, wieder auf dem Gleis im Betriebshof, auf dem wir am Vorabend gestartet waren, angekommen. Das Licht und die Heizung im Wagen bleiben auch in diesem Fall wieder an, denn nach dem Feierabend für den Fahrer beginnt der Dienst für die Menschen, die den Müll wegräumen, den Schmutz aufkehren und jeden Wagen einmal durchwischen. Um kurz vor halb vier wird der erste Wagen schon wieder mit dem Frühdienst auf Strecke gehen und die Menschen zur Arbeit bringen. Bis dahin muss alles erledigt sein. Deshalb dauert es auch nicht lange, bis die Kollegen mit Wischmopp, Besen und Lappen in der Tür stehen und mit ihrer Arbeit beginnen.

Der nächste Tag ist für uns Fahranwärter zum Glück frei. So heißt es einmal ausschlafen und etwas Zeit mit der Familie verbringen, bevor wir uns, diesmal an einem Samstagmorgen, wieder zur Typenschulung in „Nord“ treffen.

    An diesem Tag steht die 4. Serie des NGT auf dem Plan.

Die Fahrzeuge tragen die Nummern 1373 bis 1383 und kamen 2012 als neueste Fahrzeuge nach Magdeburg. Auffalend ist das Facelift des NGT: Diese Fahrzeuge sehen moderner und freundlicher aus, da sie eine neue gewölbte „Bugmaske“ bekommen haben. Sie bieten, neben einem deutlich angenehmeren Farbdesign im Innenraum, viele technische Änderungen. So beschleunigen sie deutlich kräftiger, haben Außenlautsprecher (das allerbeste, wie ich finde!) und reagieren schneller auf Fahrbefehle, die ich über den Sollwertgeber einstelle. An diesem Morgen reicht die Zeit jedoch nur für ein paar Runden durch die Innenstadt. Den Zug, den wir an diesem Tag haben, fahren wir nämlich genau fünf Stunden, als uns ein Funkspruch aus der Leitstelle erreicht. „Würdet ihr bitte mal mit einem Tourenzug der Linie 2 das Fahrzeug tauschen? Beim Kollegen ist der Fahrkartenautomat kaputt und euer Wagen soll heute auf der N2 in den Nachtdienst“. Kollegialität ist alles und so tauschen wir unsere 4. Serie gegen einen älteren Zug ein. Versteht sich ja eigentlich von selbst. Eine Dreiviertelstunde später stehen wir dann schon wieder auf dem Betriebshof. Ich melde uns telefonisch beim Betriebshofwart an und erkläre ihm die Mängel des Wagens. Er dankt für unsere Hilfe (in dem Fall hätte ein Mitarbeiter der Werkstatt einen intakten Zug zur Wendeschleife und den defekten Zug in die Werktstatt fahren müssen) und weist uns ein Gleis vor der Werkstatt zu.


Die 4. Serie des NGT hat ein „Facelift“ bekommen.

Vor dem Tor von Gleis 4 bleibt unsere Straßenbahn stehen. Wir machen alles soweit fertig, wie es uns der Wart angewiesen hat und verlassen den Wagen. Zum letzten Mal in dieser Woche fahre ich durch das Tor des Betriebshofs. Sichtlich müde, aber dennoch voller toller Erlebnisse mache ich mich auf den Weg nach Hause und gönne mir erst Mal ein kleines Nickerchen. Danach steht mein Sohn am Bett und möchte Eisenbahn spielen. Natürlich tue ich ihm den Gefallen und bekomme die Vermutung, dass mich Schienen nun eine Weile in meinem Leben begleiten werden.

Im Nächsten Beitrag wird es ernst, denn die praktische Prüfung ist nahe. Ob ich es geschafft habe, und was danach kommt, lasse ich euch natürlich auch wissen.

Bis dahin,
Johannes.

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2020/07/21/die-typenschulung-teil-3-von-gigalinern-und-faceliftings/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #9 am: 27. Juli 2020, 16:59:17 »
Es wird Ernst – die Praxisprüfung

Gleich nach unserer Nachtschichtwoche wurde es ernst. Zur Eingewöhung fuhren wir noch einmal drei Tage mit dem Fahrschulwagen durch die Stadt. Jeder sollte noch einmal jede Linienführung gefahren sein, damit die Streckenkenntnis bestmöglich sitzt.
Diese Streckenkenntnis ist das Wissen um all die kleinen Details, die das eigene Fahrverhalten später im Alltag vorausschauend und kundenfreundlich werden lässt. Dazu gehören Dinge, wie zum Beispiel Ort und Länge von Geschwindigkeitsbegrenzungen, der Zustand des Gleises oder sogenannte Einspeisepunkte für Ampelschaltungen.

    Dann war es soweit: Der letzte Tag vor der Prüfung.

 Lange schaute ich mir meinen Liniennetzplan an, in dem ich in der vergangenen Zeit alle Hinweise und Ergänzungen einschrieb. Jede Linie versuchte ich in Gedanken abzufahren. Für den entscheidenden Tag wollte ich bestmöglich gerüstet sein. Leider war ich so aufgeregt, dass ich am Abend nicht so schnell einschlafen konnte. So kam es, dass mein Wecker am nächsten Tag, für mein Empfinden, viel zu früh klingelte. Ein paar Bissen vom Toast, ein wenig Müsli und einen Schluck Kaffee, mehr bekam ich vor lauter Lampenfieber nicht herunter. Auf dem Weg zur MVB-Fahrschule nach Sudenburg saß ich in der Bahn und grübelte. „Weiß ich alles genau?“, „Bin ich mir in dem Wissen sicher?“, „Was, wenn nicht?“, gingen mir die Fragen immer und immer wieder durch den Kopf. Obwohl ich immer alles beantworten konnte und mein Fahrstil laut Ausbilder auch recht sicher wirkte, war mir nun ganz und garnicht so. Nervös wie ich war, entließ mich die Straßenbahn Linie 10 in Sudenburg in die kalte Welt. Auf dem Betriebshof angelangt, setzte ich mich zu meinen Kollegen und Mitlernenden in den Aufenthaltsraum. Durch das Fenster sah ich nach draußen. Der Fahrschulwagen 701 stand bereit und summte leise im Morgenlicht vor sich hin. Mit mir zusammen hatten an diesem Tag zwei andere Anwärter Prüfung. Einer sollte beginnen, der Rest würde mitfahren und dann nachfolgen.


MVB Fahrschulwagen 701 steht in Sudenburg bereit zur Praxisprüfung

    Angespannt wartend blickten wir uns stumm an. Meine Nervosität erreichte das Maximum,

 als die Tür aufging und Herr Rausch herein kam. „Seid ihr bereit?“, fragte er freudig und ebenso angespannt. „Hmm, ja“, fiel unsere Antwort knapp aus. „Dann los! Auf geht´s! Das wird schon, keine Angst!“, entgegnete er abermals und wir gingen hinüber zum bunten Fahrschulwagen.
Im Inneren war es angenehm warm, trotzdem fror ich etwas. Noch war der Prüfer nicht da und wir besprachen den Ablauf der kommenden Stunden. Ich würde als Letzter an der Reihe sein, kurz vor Mittag. Unsere Prüfung wurde vom Betriebsleiter persönlich abgenommen. Er wird uns eine Linie vorgeben, der wir zunächst Folgen sollten. Irgendwann zwischendrin würden dann alle prüfungsrelevanten Themen eingebaut werden. Kundenservice, Streckenkenntnis, Gefahrenbremsungen, technische Störungen und eine Umleitung mit Kundeninformation, inklusive möglicher Umstiege würden also in den knapp 60 Minuten willkürlich auftauchen beziehungsweise abgefragt werden.

Nachdem alle Fragen geklärt wurden, gab es noch ein paar organisatorische Dinge zu erledigen. Dann waurde es wieder so still, wie im Aufenthaltsraum zuvor. Die folgenden fünf Minuten des Wartens kamen mir wie eine Ewigkeit vor. „Jetzt geht es los“, kommentierte unser Ausbilder das Erscheinen eines Mannes am Eingang des Betriebshofes. Der Mann kam direkt auf unsere Bahn zu und drückte den Türöffner. Die Tür schwang auf, er trat hinein und wünschte allen einen guten Morgen.
Dieser Mann war der Betriebsleiter, Herr Fürste. Er bat uns, mit hinaus zu kommen.

    Die Prüfung begann.

 draußen am Fahrzeug mit dem Vorbereitungsdienst. Den müssen wir auch im Alltag machen, wenn wir einen Zug aus dem Betriebshof holen. Zum Vorbereitungsdienst zählen vor allem prüfende Tätigkeiten. Ist der Sandvorrat voll? Ist die Sicherheitsausrüstung vollständig? Leuchten alle Lampen? Diese und andere Fragen werden dort abgearbeitet. Für die Prüfung wurden natürlich ein paar Kleinigkeiten eingebaut, die es zu entdecken und beheben galt. Immer wieder gab es eine Nachfrage vom Prüfer, beispielsweise zu den Bremsen der Straßenbahn. So war jeder von uns drei Anwärtern kurz dran.

Im Anschluss gingen wir wieder zurück ins Warme in den Wagen. Nach einer kurzen Instruktion setzte meine Kollegin als Erste den Wagen in Bewegung und wir verließen den Betriebshof. Die Bimmel fuhr in Richtung Innenstadt, vorbei am Landgericht, über den Hassel, die Strombrücke, bis in der Herrenkrug. Dort war Ablösung und die erste Prüfung beendet. Wir anderen verließen die Bahn, damit der Prüfer die Bewertung und das Ergebnis mit der Kollegin besprechen konnte. In der Zwischenzeit genoß ich die tiefstehende Sonne. Weiter hinten, hinter der Wendescheleife, standen ein paar Pferde, deren Atem in der kalten Luft kondensierte. Einen Moment lang sah ich den Tieren zu. Als der Wind unangenehm wurde, konnten wir passenderweise wieder zurück in die Straßenbahn. „Bestanden!“ hieß es für die erste im Bunde, dann ging es auch schon mit dem Nächsten weiter. Wir ließen den Herrenkrug hinter uns, fuhren zurück in die Stadt, über die Anna-Ebert-Brücke, die Otto-von-Guericke Straße und schließlich weiter nach Reform. Dort war dann auch die zweite Prüfung beendet. Im Gegensatz zum ersten Mal, machten wir nur kurz Pause, denn ein Ergebnis erfuhr mein Kollege noch nicht.

    Dann war ich an der Reihe. Mein Puls war inzwischen wieder schneller, als ich auf dem Fahrersitz Platz nahm.

 Ich bekam noch ein paar aufbauende Worte vom Fahrlehrer und dann kam gleich der Betriebsleiter zu mir vor. „Fühlen Sie sich in der Lage, die Prüfung zu absolvieren?“, lautete die obligatorische Frage zum Anfang. Am liebsten hätte ich „Nein!“ gesagt, aber wohin hätte das geführt? So nickte ich und gab mit einem kurzen „Ja!“ den Auftakt der Fahrt.


Nach den ersten hundert Metern fühlte sich alles wie gewohnt an. Der Wagen rollte genauso schön dahin, die Strecke war frei und das Wetter optimal. So gab ich mein bestes, alles so zu machen, wie all jene Tage zuvor.
Aus Reform rollten wir über die Wiener Straße, den Hasselbachplatz, zum Breiten Weg, um dann durch die Agnetenstraße zurück zum Hasselbachplatz zu fahren. Zwischendrin stoppte mich die ein oder andere Gefahrenbremsung und wegen eines Unfalls (der natürlich nur simuliert war), musste ich meine Route ändern. Auch fragten mich ein paar (fiktive) Fahrgäse nach Umsteigemöglichkeiten.
Am Hasselbachplatz angekommen, sagte der Prüfer zu mir:

    „Herr Lauf, an dieser Stelle beende ich Ihre Prüfung. Können Sie sich vorstellen, warum?“.

 Kurz war mir mulmig. Hatte ich doch etwas falsch gemacht? Etwas übersehen? „Mist!“, dachte ich mir.
„Nein, warum?“, antwortete ich und schaute dabei vermutlich ziemlich unsicher.
„Sie haben mir gezeigt, dass sie die Fähigkeit besitzen, eine Straßenbahn sicher zu fahren“, sagte Herr Fürste zu meiner Erleichterung. Ein Stein fiel mir vom Herzen! Endlich war es geschafft! Dachte ich. „Ich würde Sie bitten, im Wagen Platz zu nehmen. Im Betriebshof werde ich noch mal mit ein paar Fragen auf Sie zukommen“, fügte er noch hinzu.
Nun, immerhin ein Etappensieg.

20 Minuten später standen wir alle wieder auf dem Gelände des Depots in Sudenburg. Nachdem wir die angekündigten Fragen offenkundig zufriedenstellend beantwortet hatten, gratulierte Herr Fürste uns zur bestandenen Fahrprüfung.
Nun war es wirklich endgültig überstanden. Meine druckfrische, hellblaue „Fahrerlaubins für Straßenbahnen“ hielt ich dann wenig später in den Händen.


Die Fahrerlaubnis erhält man gleich nach der Prüfung.

    Jetzt sollte die entspannte Zeit der Fahrschule vorbei sein, denn die nächste Stufe wartete schon: die Lehrfahrten.

Die sind im Grunde genommen gewöhnliche Dienste im Liniendienst, mit Fahrgästen und allem anderen. Der Unterschied liegt darin, dass ein erfahrener Straßenbahnfahrer neben einem steht, der meinen Weg zum Personenbeförderungsschein überwacht. Mit dem bestehen der praktischen Fahrprüfung darf ich nämlich Straßenbahn fahren, jedoch nur ohne Fahrgäste. Dafür ist der Personenbeförderungsschein nötig, der in den Lehrfahrten erworben wird.

Nun hieß es „Tschüss!“ zu sagen. Von meinem ersten Tag im Oktober, bis hierher im Dezember, war es eine schöne und sehr eindrucksreiche Zeit. Von 0 angefangen lernte ich alles, was nötig ist, um eine Straßenbahn in Magdeburg zu fahren. Ein letztes Mal nahm ich also meine Warnweste vom Sitz, steckte sie in meinen Rucksack und stieg aus dem Wagen.
Ein leises „Tschüss und Danke!“ sprach ich zum Fahrschulwagen (ich glaube an das Karma der Dinge ;)).

Dann drehte ich mich um und verließ den Betriebshof durch die kleine Seitentür, durch die ich am ersten Tag auch kam.
Die Luft war noch immer sehr kalt, aber meine Stimmung war ausgelassen und mein Rucksack um einiges voller (mit Erfahrungen).

Wie ich meine erste Lehrfahrt erlebt habe, werde ich natürlich auch mit euch teilen, beim nächsten Mal.
Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit!

Euer Johannes, der Straßenbahnfahrer.

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2020/07/27/es-wird-ernst-die-praxispruefung/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #10 am: 28. Juli 2020, 11:33:09 »
Herzlichen Glückwunsch Herr Lauf!

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #11 am: 03. August 2020, 11:47:54 »
Auch wenn es nicht ganz dazugehört, denke ich das passt hier gut rein:

"Ich bleibe bis zur Rente" - Ein leidenschaftlicher Straßenbahnfahrer in Magdeburg

https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/strassenbahnfahrer-djamel-sellaoui-100.html

Offline NGT8D

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #12 am: 03. August 2020, 16:22:17 »
Ausbildungsende: Meine Lehrfahrten mit Fahrgästen

Die Fahrschule war mit meiner Prüfung geschafft, zumindest jener Teil, der sich um die formale Ausbildung dreht. Um aber Straßenbahnen mit Fahrgästen fahren zu können, bedarf es noch einer entscheidenden Komponente: einer dem „Personenbeförderungsschein“ angelehnten Erlaubnis, alleine Fahrgäste mit der Straßenbahn befördern zu können.

Um die Tauglichkeit für den Umgang mit Fahrgästen und das richtige Auftreten gegenüber unserern Kunden zu erwerben, werden innerhalb der MVB sogenannte „Lehrfahrten“ (nicht mit zwei „e“ ;)) absolviert. 15 an der Zahl sind vorgesehen. Fahranwärter, wie ich einer bin, übernehmen dabei in Begleitung eines erfahrenen Kollegen ganz normale Fahrdienste mit Fahrgästen. Die Lehrfahrer, das sind speziell geschulte Straßenbahnfahrerinnen und -fahrer, schauen uns Fahranwärtern während der Dienstzeit über die Schultern. Sie geben uns nicht nur Sicherheit bei unseren ersten Fahrten mit Fahrgästen, sondern auch wertvolle Tipps und Hinweise. Sie legen zudem ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Betriebsleiteranweisung, speziell den Kundendienst. Diese Betriebsleiteranweisung beinhaltet alle Verhaltensregeln innerhalb des Unternehmens, die einen Bezug zum Thema Straßenbahn haben. Angefangen bei den grundlegenden Dingen, wie Signalen, über Formelles, wie die Dienstbekleidung, bis hin zu Geschwindigkeiten, Vorfahrtsregeln unter Straßenbahnen und Verhalten in Notsituationen.

    Alles, was man in der Fahrschule gelernt hat, darf man nun in der Realität des Fahrdienstes anwenden. Darüber hinaus muss man nun jedoch noch seine Fahrzeit im Blick behalten. Und die Fahrgäste. Und den Funk. Und vieles mehr.

Meine erste Lehrfahrt hatte ich ein paar Tage nach der Praxisprüfung. An einem sonnigen Dienstag sah mein Dienstplan einen Spätdienst für mich vor. Dienstbeginn 15:18 Uhr, Linie 5/3 DAM/DF stand ganz knapp im Dienstplanprogramm. DAM steht hier für Damaschkeplatz und DF nennt die Fahrtrichtung, in diesem Fall Diesdorf. Besonders verwundert war ich über die Linie. „5/3? Was soll das sein?“ dachte ich.
Das nennt man intern einen „Linienwechsler“. Der Straßenbahnzug kommt in der Wendescheife Diesdorf als Linie 5 an und wird dort automatisch zur Linie 3. Von dort geht es zum Klinikum Olvenstedt und zurück nach Diesdorf. Hier ändert sich die Linie abermals, zurück zur 5 und es geht weiter, zum Messegelände. Ich gebe zu, mich mit derlei Betrieblichem zuvor wenig befasst zu haben. So war dies der beste Einstand, den man nur haben konnte, bot es einem doch gleich etwas Esprit.

An besagtem Dienstagnachmittag stand ich also an der Haltestelle Damschkeplatz/ZOB in Richtung Diesdorf. Kurz vor Dienstbeginn kam auch mein Lehrfahrer Matthias zu mir. Wir wechselten ein paar Worte und dann ging es auch schon los. Unser Zug fuhr langsam aus der Baustelle am Damaschkeplatz in die Haltestelle. Der Kollege nahm seine Jacke, seinen Rucksack und seinen Schlüssel und kam aus der Fahrerkabine.
Er grüßte mich, und gab mir alle wichtigen Informationen mit auf den Weg. Fast wie ich es in der Theorie gelernt hatte. Aber eben nur fast. Was nämlich im Lehrbuch ethliche Stichpunkte zum Thema „Ablösegespräch“ beinhaltet, ist in der Praxis oft nur ein knapper Satz: „Die Strecke ist frei, Fahrzeug in Ordnung. Sand habe ich noch mal gefüllt. Ruhigen Dienst!“. Mit eben diesem Satz war es dann auch schon an mir, die Fahrgäste weiterzubringen. Puh, war ich aufgeregt! Zuletzt fuhr ich den Fahrschulwagen, ohne Fahrgäste und nun einen gut besetzten NGT, der pünktlich war. Auf dem Display des Bordrechners stand „+0“. Diese Zahl sollte sich dann im Verlauf meines Dienstes noch deutlich nach oben verändern, aber der Reihe nach.



Ich stellte mir alles ein: den Sitz, die Spiegel und die Rückenlehne. Türfreigabe löschen, Sollwertgeber nach vorn und los! Die ersten „richtigen“ Meter auf der Strecke. Bis zur Haltestelle Arndtstraße hatte ich dann allerdings schon eine Minute Verspätung, denn ich versuchte, so sacht, wie möglich zu fahren. Das hatte zur Folge, dass ich an jeder Haltestelle etwas mehr Verspätung anhäufte. Irritiert war ich am Anfang auch vom lauten Piepen, wenn ein Fahrgast den „Halt“ Taster drückt. Dieses Geräusch gab es ja im Fahrschulwagen, in Ermangelung von Fahrgästen, nicht. Neu war es für mich ebenso, wenn sich die erste Tür öffnete. Da sie direkt an die Fahrerkabine reicht, ist das recht laut und am Anfang doch gewöhnungsbedürftig.

    Die Zeit verging wie im Flug und ich war stetig damit beschäftigt, alles im Griff zu behalten.

So war es dann auch wenig verwunderlich, dass meine erste Runde auf der „52 mit sagenhaften neun Minuten Verspätung am Messegelände endete. Ziemlich anstrengend, fand ich. Da die Wendezeit, also die Zeit zwischen Ankunft und Abfahrt an der Endstelle, im Messegelände 12 Minuten beträgt, blieben also noch drei Minuten übrig. Gerade so viel, um schnell auf das WC zu gehen. Man weiß schließlich nie, was einen erwartet.

Als ein paar Stunden vergangen waren, hatte ich mich langsam an all die neuen Eindrücke gewöhnt. Das Gefühl für das Fahrverhalten der Staßenbahn war da, die Streckenkenntnis nahm zu und der Umgang mit den Fahrgästen nahm auch langsam Form an. So sauste die Zeit dahin und es nahte die erste Pause. Nach vier Stunden gab ich meinen Zug an den nächsten Kollegen ab und lief, gemeinsam mit meinem Lehrfahrer, zum Pausenraum. Dort hatte man Zeit zum durchatmen. Etwas essen, Nachrichten auf dem Smartphone lesen und ein paar Worte mit den anderen Kollegen wechseln.


Während der Ausbildungsfahrten ist die erste Tür tabu.

Meinen zweiten Teil des ersten Dienstes trat ich dann auf der Linie 1 an. Da in meinem Dienstplan der Betriebshof in Westerhüsen als End-Ort vermerkt war, wusste ich, dass ich diesen Zug ins Depot bringen würde. So drehten mein Lehrfahrer und ich noch zwei Runden auf der „1“, bevor es in Richtung Betriebshof ging. Den erreichten wir kurz vor Mitternacht, in einer Reihe stehend mit einigen anderen Straßenbahnen. Zum ersten Mal rief ich also beim Betriebshofwart an und ließ mir eine Abstellposition zuweisen, dann rückte ich mit meinem Zug ins Depot ein. Vorbei an der Werkstatthalle ging es in die große Abstellhalle, die bereits mit einigen anderen Fahrzeugen gefüllt war. Weiche für Weiche fuhr ich weiter in die Halle, bis ich schließlich „mein“ Zielgleis erreicht hatte. Nun kam der knifflige Teil: so dicht es geht, an den Überweg heran fahren. Die Überwege sind feste Routen in der Halle, die als Flucht- und Rettungsschneisen frei gehalten werden müssen. Um den Platz im Depot bestmöglich zu nutzen, muss also ganz dicht an diese Wege herangefahren werden. Dazu bedarf es etwas Geschick, was mir an diesem Tag leider fehlte. Mein Wagen kam einen Meter zu früh zum stehen. Zwei Versuche wagte ich noch, dichter heran zu fahren, beließ es dann jedoch dabei und gab mich mit einer kleinen Lücke zwischen Tram und Weg zufrieden.

Dann schaltete ich das Licht aus, stellte die Steuerung der Bahn auf „0“ und zog meinen Schlüssel aus dem Schloss ab. Jetzt noch schnell die Dienstunterlagen beim Betriebshofwart abgeben und dann war es geschafft. Feierabend um kurz nach Mitternacht. Mit der Nachtlinie N2 fuhr ich dann nach Hause und kroch, voll mit unzähligen Erlebnissen, in mein Bett.

Die folgenden vier Lehrfahrten absolvierte ich noch mit Matthias, bevor mir ein anderer Kollege zugeteilt wurde. Dies passiert aus dem Grund, dass wir Jungfahrer möglichst alle Schichtlagen kennenlernen können. Frühdienst, Mitteldienst, Spätdienst, Nachtdienst, Wochenenddienst – die Auswahl ist groß. So lernte ich meine Heimatstadt zu den unterschiedlichsten Zeiten kennen. Meine Lehrfahrer gaben mir immer viele gute Tipps, die einem den Dienst einfacher und das Arbeiten effizienter machen. Ein gutes Beispiel dafür ist, wo der Fahrplan Pufferzeit beinhaltet. Das ist Zeit, die zum auslgeichen von Verspätungen dient und an besonders gefährdeten Stellen als zusätzliche Fahrzeit hinterlegt ist. So ist es auch nicht so schlimm, sollte man einmal in einen Stau am Morgen geraten.

Insgesamt absolvierte ich 15 Lehrfahrten im Liniendienst. Jede Fahrt wurde dokumentiert und durch den Kollegen bewertet. Wirtschaftliches Fahren, kundenorientiertes Auftreten, Qualität der Funkgespräche mit der Leitstelle und Dienstvorbereitung sind nur einige von vielen Kriteren, die dabei berücksichtigt wurden.

    Nach dem Abschluss der Lehrfahrten wartete das Abschlussgespräch auf mich.

Dieses Gespräch stellte dann den letzten Schritt meiner Ausbildung zum Straßenbahnfahrer dar. Unser Betriebsleiter Herr Fürste, einer der Teamleiter, die der direkte Ansprechpartner für alle Mitarbeiter im Fahrdienst sind, und ich saßen gemeinsam an einem Tisch in einem Büro im Hauptgebäude der MVB. Ein kleiner Stapel Dokumente lag, einsortiert in einer braunen Mappe, vor dem Betriebsleiter. Sorgsam sichtete er die Unterlagen und ging dabei die Bewertungen der vergangenen Dienste mit mir gemeinsam durch. Im Anschluss stellte er mir noch ein paar Fragen zum Thema Kundendienst, Streckenkenntnis und dem technischen Verständnis bei Störungen am Wagen. Jetzt war der Moment gekommen. Mit einer schwungvollen Unterschrift in meiner Fahrerakte war meine Berechtigung zum Fahren von Straßenbahnen mit Fahrgästen in Magdeburg erteilt. „Gratulation, Herr Lauf! Und allzeit gute Fahrt!“ sagte er noch und mir fiel in diesem Moment ein Stein vom Herzen! Ziel erreicht, denn jetzt, von diesem Moment an, war ich das, was ich sein wollte: Straßenbahnfahrer.


Der Tag geht zu Ende, die Ausbildung auch. Ab jetzt allein unterwegs.

    Die Ausbildung ist nun vorbei, dieses Blog aber wird weitergehen! Dann mit vielen Themen aus dem Dienstalltag und anderen Spannenden Geschichten aus dem Unternehmen.

Mein Dank für die starke Ausbildung geht an Detlef Strauchmann, Steven Rausch und Kristian Mielke!

Für die Unterstützung und Realisierung dieses Blogs möchte ich mich ganz besonders auch bei Ulf Kazubke, Bodo Satorius, Tim Stein und Janet Krieg bedanken.

Bei den Lehrfahrten mit viel Geduld und Engagement unterstützt haben mich Matthias, Daniela, David und Normen. Danke, dass ihr euer Wissen mit den Jungfahrern teilt und „uns“ dafür so viele Stunden stehend (!) unterstüzt.

Für die schöne Zeit während der Ausbildung geht mein Dank auch an die Kollegen Michael, Fabian, Tina, Thomas, Robert, Frank, André, Mario und Steve.

Und natürlich auch Danke Mario Gordziel! Ohne deine vielen Bilder auf Twitter und unzähligen Antworten auf meine Fragen hätte ich es vielleicht nicht bis zu einer Bewerbung gebracht.
Der wichtigste Dank gilt meiner Frau. Sie lässt mich bis spät in die Nacht meine Texte tippen und, sofern es die Kinder zulassen, dann auch länger Schlafen. Außerdem unterstützt sie mich jeden Tag und gibt mir Rückenwind für den Umstieg im Beruf, obwohl das nicht immer leicht mit dem Familienleben zu koordinieren ist.

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2020/08/03/ausbildungsende-lehrfahrten-und-abschlussgespraech/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #13 am: 15. August 2020, 14:59:45 »
Wie eine Pandemie alles änderte

Gerade hatte ich mich in den Fahrdienst eingefuchst. Ich begann zu verstehen, welche Ampeln wann auf „Fahrt frei“ springen und wann ich wo welchem Gegenzug begegne. Es lief alles gut und mit der Zeit gewöhnte ich mich an die Schichtdienste, die bis dato vollkommen neu für mich waren.
Und dann kam dieser eine Tag, an dem die Eindämmungsverordnung in Kraft trat. Hier sollte es auch für mich viele Änderungen geben. Was sich genau geändert hat, möchte ich euch heute mal schildern.

Es zeichnete sich natürlich schon vor dem ersten Geltungstag der Eindämmungsverordnung (die die Landesregierung Sachsen-Anhalt erließ) ab, dass wir schon bald nicht mehr wie gewohnt unseren Dienst verrichten werden können.
Dann kam die Gewissheit: Die MVB wird ihr Angebot anpassen müssen, denn die Fahrgastzahlen brachen in den ersten Tagen rasch ein. Dass es dann keinen 10-Minuten-Takt im Stadtgebiet mehr braucht, erklärt sich da fast von selbst und so wurde auf den angepasstem Samstagsfahrplan umgestellt. Das bedeutete auf der einen Seite für die Fahrgäste einen 15-Minuten-Takt ab um acht, auf der anderen Seite für mich auch weniger Arbeit.

    Insgesamt wurde es für mich ruhiger, denn die Schichtlänge war oft kürzer, die Zeiten an den Endstellen länger und, vor allem, der Straßenverkehr tendierte gegen null.

Das war auch einer der prägendsten Eindrücke für mich. Als alle Schulen, Kitas, Unis, Spielplätze, Ladengeschäfte und andere Einrichtungen des öffentlichen Lebens geschlossen waren, glich die Stadt einer Geisterstadt. Wo sich sonst im Berufsverkehr Autos stauten, Menschen dicht gedrängt an Haltestellen warteten und kaum Platz für einen ruhigen Gedanken war, da war nun nichts als Stille. Ein paar Menschen gingen hin und wieder über die Gehwege und in meiner Bahn saß kaum eine Handvoll Personen.


An einem Werktag sonst undenkbar: alles Leer

Die Ampeln zeigten ihre Farben, wie sie das immer taten, doch war kein Verkehr da, den es zu regeln galt.
Auch privat änderte sich einiges. Meine beiden Kinder waren traurig, nicht mehr auf den Spielplatz gehen zu können. Auch zu Oma und Opa durften sie nicht und so wurde das Familienleben auf eine Probe gestellt. Da kam es für mich nicht ungelegen, die angesammelten Überstunden abbummeln zu können. Kleine Spaziergänge an der Elbe, ein paar Stunden im Kleingarten und viel Zeit zu Hause prägten diese Wochen.

    Auch bei der Arbeit stellten sich neue Routinen ein.

An jeder Haltestelle mussten nun alle Türen geöffnet werden. Ungewohnt, vor allem für die linke Hand, mir der die Türen gesteuert werden. Neu war auch der Abstand zu den Kollegen. Saß man sonst in geselliger Runde im Pausenraum, war dort nun ein großer Abstand zueinander.
Auch an den Endstellen gab es etwas neues: Menschen mit Lappen und Handschuhen standen parat, um die Straßenbahn im Akkord zu renigen. Genauer gesagt, um die Flächen zu desinfizieren, an denen man als Fahrgast oft anfässt: Türen, Haltebügel, Griffstangen, Taster.  Bei einem Gespräch mit einem der Kollegen sagte er mir: „Ich mach das jetzt fünf Tage und ich kann keine Haltestangen mehr sehen!“. Für die Leistung ziehe ich meinen Hut vor den Menschen, schließlich reinigen sie tagtäglich alle 15 Minuten eine Bahn.


Die Menschen kehren langsam in die Innenstadt zurück

Eine große Veränderung gab es dann erst wieder, als langsam Lockerungen der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen beschlossen wurden. Zaghaft kehrten die Fahrgäste zurück an die Haltestellen und hin und wieder standen auch mal wieder mehr als drei Autos an einer Ampel.
Auch nach weiteren Lockerungen passierte was: die Tragepflicht für eine Mund-Nasen-Bedeckung wurde eingeführt. Sie soll sicherstellen, dass das Infektionsrisiko minimiert wird, auch wenn kein Mindestabstand zu anderen Menschen eingehalten werden kann. So zum Beispiel in der Straßenbahn, in der es nun manchmal wieder etwas voller wird.

Immernoch müssen wir alle Türen der Bahn an jeder Haltestelle öffnen. Immernoch sind die Fahrgastzahlen niedriger, als vor Beginn der Pandiemie und immernoch ist auch der Strßenverkehr nicht so dicht, wie er es einmal war. Das finde ich gut, denn oft stehen einem als Straßenbahnfahrer die PKW im Weg herum.
Was mir auch positiv auffällt: Der Fahrrad-Anteil hat sich merklich vergrößert. Manchmal sieht man sogar einen Fahrrad-Stau, zum Beispiel am Platz des 17. Juni, wo viele Menschen durch den Glacis-Park in die Innenstadt radeln wollen. Das konnte ich vor der Pandemie so gut wie nie beobachten.

Nun sind die meisten Beschränkungen in Hinsicht auf die Eindämmungsverordnung wieder aufgehoben worden und das altägliche Leben kehrt zurück. Die MVB hat nun den „normalen“ Fahrplan wieder eingeführt und die Schulkinder füllen hin und wieder die Bahnen am Neustädter Platz oder dem Hasselbachplatz.

    Lobenswert ist, dass viele Menschen sich an die Pflicht halten, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Hier merke ich allerdings deutliche Unterschiede zwischen Tag und Nacht.

Tagsüber sieht man nur vereinzelt Menschen mit einer Bedeckung, nachts ist dies nach meinem Empfinden anders. Warum das so ist, kann ich mir nicht erklären. Es ärgert mich dennoch, wie fahrlässig viele Menschen mit der Gesundheit anderer umgehen, denn die Maske dient ja nicht zuletzt auch dem Schutz der Mitmenschen.
Um an die Maskenpflicht zu erinnern, sind an allen Türen aller Fahrzeuge auch Piktogramme angebracht worden. Ausserdem läuft eine automatische Ansage im Fahrgastraum alle paar Haltestellen durch und an den Aushangfahrplänen der Wartehäuschen wird ebenfalls mit einem Schild auf die Tragepflicht hingewiesen. Natürlich wird die Einhaltung auch bei den Fahrscheinkontrollen überprüft. Dennoch scheint es für manche Menschen unnötig zu sein, eine Bedeckung aufzusetzen.
Diese Bedeckung trage ich natürlich in der Bahn und im Supermarkt und überall sonst, wo man den Mindestabstand nicht einhalten kann. Meiner Maske habe ich übrigens scherzhaft den Beinamen „Schnutenpulli“ gegeben.

Auf die Zukunft bin ich gespannt. Werden wir irgendwann wieder ohne Mundschutz fahren können? Werden die Menschen in Zukunft öfter das Fahrrad oder das Auto nehmen, statt mit der Bahn zu fahren? All das lässt sich noch nicht klären und es wird bestimmt noch etwas dauern, bis ich mich an den neuen Alltag gewöhnt habe. Denn eins ist klar: die Zeit vor der Pandemie, die kommt so schnell nicht mehr zurück.

Bis bald!
Bleibt gesund 😉

Johannes

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2020/08/12/wie-eine-pandemie-alles-aenderte/

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Re: MVB-Fahrtenschreiber - MVB Ausbildungsblog
« Antwort #14 am: 25. August 2020, 17:44:26 »
Grüße aus Berlin – Die KT4D Schulung

Kaum habe ich meinen Führerschein in der Tasche, schon muss ich wieder auf die Schulbank. Die MVB hat ein neues Fahrzeug beschafft, den KT4D, und wir Fahrerinnen und Fahrer müssen natürlich für die neue Bimmel geschult werden. Und so machte ich mich auf den Weg zum Betriebshof Nord, wo die Schulung stattfand.



Gleich zu Beginn möchte ich euch eine kurze Anekdote aus Berlin schreiben: Als ich vor einigen Jahren meine Frau, damalige Freundin, kennen lernte, waren wir oft in Berlin-Köpenick. Dort fuhren
wir sehr viel S-Bahn und natürlich auch Straßenbahn. Besonders in Erinnerung blieben mir die gelben Wagen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wegen ihres ganz eigenen „Sounds“, den Geräuschen der Türen, der Ansage im Innenraum und natürlich der Fahrmotoren. Es hatte immer einen gewissen Charme, mit den Gelenktriebwagen durch die Köpenicker Altstadt zu rollen und vom Schlossplatz in Richtung Adlershof aus dem Fenster über den Fluss „Dahme“ zu schauen.

    Jetzt, 11 Jahre später, fahre ich die Bahnen selbst.

 Sie sind nun nicht mehr gelb, sondern frisch in weiß und grün lackiert und sie rollen nicht mehr über den Schlossplatz in Köpenick, sondern über den Breiten Weg in Magdeburg. Von ihrem Großstadtcharme haben sie indes nichts eingebüßt. Getönte Scheiben im Fahrgastraum sind im Sommer ein großes Plus für die Fahrgäste, ebenso wie die großen Türen und die gute Geräuschdämmung. Maßgebend für den Umzug an die Elbe waren die anstehenden Änderungen im MVB-Netz nach den Sommerferien.



Mit der Fertigstellung der Trasse über den Damaschkeplatz und über die Tunnelbaustelle am 27. August 2020 wird sich auch im Liniennetz Magdeburgs vieles ändern. Neben einigen neuen Linienführungen kommen dann auch die aus Berlin gekauften und an die Magdeburger Bedingungen angepassten KT4D zum Einsatz. Dank der „Neu“fahrzeuge kann der Takt auf der Linie 10 nach Rothensee verdichtet werden.
Zum Einsatz kommen sollen die KT4D aber hauptsächlich auf den Linien 3 und 5, da diese so genannte Verstärkerlinien sind.

    Damit auch genügend Personal zum Auftakt bereit steht, werden seit einigen Wochen Fahrerinnen und Fahrer im Umgang mit den Neulingen geschult.

 Die mit „Fahrschule“ beschilderten Wagen sind seitdem im Stadtgebiet zu sehen und werden so auch oft zum Fotomotiv. Vor dem Ende der Sommerferien durfte auch ich an einer der Schulungen teilnehmen und möchte euch hier einen kleinen Einblick geben.

Wenn ihr euch ein neues Auto kauft, erklärt euch ein Kundenberater alle Funktionen des neuen Wagens. Auch eine Probefahrt zum Kennenlernen der Abmaße und des Fahrverhaltens ist meist teil der Veranstaltung. Ungefähr so läuft das auch bei der Straßenbahn ab. Anstelle eines Beraters steht uns einer der betriebsinternen Fahrlehrer zur Seite und zeigt uns alle Funktionen des neuen Tramtypus. Natürlich erhalten wir auch eine ausführliche Betriebsanleitung, falls man später noch mal nachlesen möchte.

    Nach einer theoretischen Einweisung geht es an die Fahrpraxis.

 Ungewonht ist die neue Fahrerkabine, die deutlich mehr Platz bietet, als ich es aus den Niederflurbahnen (NGT) gewohnt bin. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch die Steuerung der Wagen, die eine Mischung aus den NGT und den alten „eckigen“ Tatra T6A2, gemischt mit etwas extra-Technik, darstellt. Denn sie werden nicht mit dem Fußpedal wie der T6A2 gesteuert, sondern per Hand mit dem Sollwertgeber – ganz so, wie beim modernen Niederflurwagen. Positiv überrascht bin ich von den Fahrleistungen der Bimmel. Für unsere Kunden wird vor allem die niedrige Geräuschkulisse und die fast rückfrei arbeitende Bremse ein Komfort-Plus sein. Nachteilig ist hier aber der hohe Einstieg, schließlich wollen zwei Stufen bezwungen werden, um es sich auf einem der grauen Sitze, die ihr Berliner Outfit behielten, gemütlich zu machen. Ungewonht wird für unsere Fahrgäste sicher auch sein, dass Fahrräder und Kinderwagen nun nur an der vierten Tür einsteigen können.



Nachdem wir Fahrer ein Gefühl für den Wagen entwickeln konnten, wurden uns natürlich auch Wege und Möglichkeiten gezeigt, eventuell auftretende Störungen sicher und zügig abzustellen. Auch hier bin ich von der Benutzerfreundlichkeit positiv überrascht.

Schlussendlich war der Schulungstag viel zu schnell vorbei. Gern wäre ich noch eine Runde weitergefahren, doch der Tag war voll mit neu Gelerntem und entsprechend lang. Somit bleibt mir nach dem Dienstschluss nur die Betriebsanleitung, der ich noch eine Weile ein paar Daten und Fakten entlockte.

Ich freue mich richtig auf den Einsatz der Wagen, deren fehlende Barrierefreiheit übrigens deutlich im Fahrplan gekennzeichnet sein wird. Denn es bleibt wie bisher: Keine Hochflurfahrzeuge direkt hintereinander, auch nicht auf einer Linie. So bekommen auch Fahrgäste mit Rollator, Rollstuhl und Kinderwagen die Möglichkeit, barrierefrei mit
einem unserer Niederflurbahnen zu fahren.

Bis demnächst!
Euer Johannes.


Ausblick über die Schulter des Fahrers


Ein KT4D auf dem Betriebshof Nord


Blick in den Fahrgastraum eines KT4D


Blick in die Fahrerkabine


Eine KT4D-Traktion


Blick über den Fahrerarbeitsplatz im KT4D

Quelle: https://www.mvb-fahrtenschreiber.de/2020/08/25/gruesse-aus-berlin-die-kt4d-schulung/

 

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