Guten Abend allerseits,
wenn ich die letzten drei Beiträge hier lese, Tatra-Fan, Stammfahrgast und Taggy, frage ich mich doch sehr, ob Ihr nur Straßenbahn-Narren seid oder ob Ihr wirklich dem Namensbestandteil "Nahrverkehrsforum" dieser Seite gerecht werden wollt.
Vorab: Ich bin uneingeschränkt für den Bau der Neubaustrecke zum Kannenstieg und ich begrüße auch ganz besonders die neue Variante mit der Streckenführung ab Damaschkeplatz. Schon vor zwei Jahren habe ich
hier deutlich gemacht, dass die Neubaustrecke durch die Aufgabe des geplanten S-Bahn-Haltepunkts Nordfront erheblich an Attraktivität verliert. Mit der neuen Streckenführung wird dieser Nachteil wettgemacht. Neustädter Feld und Kannenstieg (und alles was dazwischen und ringsherum liegt) werden hervorragend an den nicht-nur-städtischen Nahverkehr und an den Fernverkehr angebunden.
Aber: Es gibt "gewachsene" Wegebeziehungen, die durch die bisher kommunizierte Planung der Neuordnung des Nahverkehrs im Bereich Neustädter Feld/Kannenstieg/Neustadt zerstört werden.
Charlotte aus der Crucigerstraße, die ihren Willi auf dem Neustädter Friedhof besuchen möchte, fährt heute ohne Umstieg dorthin. Nach Fertigstellung der Strecke zum Kannenstieg kann sie sich zwischen zwei Weltreisen mit Umstieg entscheiden: entweder über Milchweg/Ebendorfer Chausse oder über die Innenstadt. Natürlich kann sie auch kürzer fahren und zweimal umsteigen, wenn sie zwischen Kritzmannstraße und Kastanienstraße den Einundsiebziger Bus nimmt. Nun ja, Charlotte ist Rentnerin und sie hat Zeit. Zum Friedhof fährt sie auch nur einmal im Monat. Aber Charlotte geht auch gerne mal auf der Lübecker bummeln. Früher ist sie in den Bus eingestiegen und direkt dorthin gefahren. Das geht nun nicht mehr.
Heiner wohnt Am Stadtblick und arbeitet in Rothensee bei Enercon. Enercon ist dem Magdeburger Chef-Wirtschaftsförderer und Oberbürgermeister sehr wichtig, Heiner ist nicht so wichtig. Heiner ist früher mit dem Neunundsechziger zur Kastanienstraße gefahren und dort in die Zehn umgestiegen. Bald muss er umsteigen, um zur erst einmal zur Kastanienstraße zu gelangen.
Die Reihe der zugegebenermaßen fiktiven, aber doch realistischen Beispiele ließe sich sicher fortsetzen. Fakt ist, dass in der bisherigen Planung eine attraktive Verbindung zwischen dem Neustädter Feld und der Lübecker Straße fehlt. Der Einundsiebziger wird für viele Bewohner nur mit langem Fußmarsch oder Umsteigen erreichbar sein.
Argumente wie
völliger Schwachsinn ist, da im Bereich "Danziger Dorf" die Linie 1 und die zur Zeit geplante Linie 8 sich treffen und es umsteige Möglichkeiten gibt.
Außerdem kann man noch in die 71 umsteigen und zur Kastanienstraße fahren.
betrachte ich als eine Verhöhung der durch die geplanten Veränderungen benachteiligten Benutzer des öffentlichen Nahverkehr. Die Verwendung des Begriffs "Schwachsinn" zur Einordnung von Argumenten anderer ist recht delikat.
Und auch die
Nörgler die sowieso kein ÖPNV nehmen
sind oftmals Mitmenschen, die ihre sehr verständlichen(!) Beweggründe haben ("Auto ist eh da", Arbeitsstelle schlecht mit ÖPNV erreichbar, Angst vor Beeinträchtigen - man denke an die Ummendorfer Straße uvm.) Natürlich gibt es auch die Ich-bin-sowie-sowieso-dagegen-Holler-Boller-Bühls und eine ganze Armada schlecht informierter und muttersprachresistenter Facebook-Trolls. Wenn man zuhört oder genau liest, kann man die Spreu aber schon vom Weizen trennen.
Ich würde es begrüßen, wenn Planungen wie die Neubaustrecke zum Kannenstieg in diesem Forum nicht nur als eine neue schicke Straßenbahnstrecke wahrgenommen würden, sondern man sie bei aller Zustimmung auch kritisch begleiten würde.
Nach meinem bisherigen Kenntnisstand soll das Straßenbahn-Zielnetz mit dem aktuell vorhandenen Fahrzeugbestand betrieben werden. Wenn das funktioniert, könnte der Wegfall des Neunundsechzigers in seiner bisherigen Linienführung genutzt werden, um ÖPNV-Wüsten in Magdeburg anzuschließen. Nachdenkenswert ist da eine Buslinie von irgendwo im Neustädter Feld über die Mittagstraße und Wasserkunststraße entweder in Richtung Rothenseer Straße/Pettenkoferstraße oder Rogätzer Straße.