Autor Thema: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn  (Gelesen 29309 mal)

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Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« am: 21. Juli 2021, 15:46:04 »
In aktuellen städtebaulichen Debatten entzündet sich in ostdeutschen Städten und so auch in Magdeburg immer wieder der Streit über die Entwicklungsräume und Bauten der Nachkriegszeit. Sie werden als Bruch, Konfrontation, Zerstörung und Verlust historischer Qualitäten, mindestens aber wegen ihrer unangemessenen Gestalt und Architektur kritisiert.

Auf der einen Seite steht der Wunsch nach einer Rekonstruktion des im 2. Weltkrieg verlorenen Stadtbildes, dem mehr oder minder geschlossenen Block einer kompakten Stadt. Dieser Wunsch symbolisiert Tradition, Bürgerlichkeit und Vermögen – die gute alte Zeit verbunden mit den Potenzen der Gegenwart.

Auf der anderen Seite stehen die nach dem 2. Weltkrieg weiträumig wiederaufgebaute Innenstadt und periphere Siedlungsanlagen sowie Stadtteile mit Zeilenbauten und grünen Abständen dazwischen. Das ist die »gebaute DDR«, das abgeschriebene gesellschaftliche Projekt.
Persönliche biografische Bezüge wollen es, dass ausgerechnet diese Orte aus dem neuen Familienalbum vertraut sind. Die neuen Straßen und Gebäude sind Schauplätze für die Kindheit in den 1960er Jahren, als es in der DDR noch Werbung im Fernsehen gibt, große Häuser wie Symbole verstanden und neue Wohnungen wie eine Wohltat gefeiert werden.

Unser Vereinsmitglied Ralf öffnet für Euch zwar nicht sein Familienalbum, aber seine Ansichtskarten-Sammlung vom Magdeburg der 1960er Jahre und der darauffolgenden Jahre. Und wie es sich für ein Straßenbahn-Vereinsmitglied gehört, ist natürlich auf beinahe jeder Ansichtskarte auch eine Straßenbahn zu sehen. Natürlich wird er auch persönliche biografische Bezüge zu den Motiven herstellen.
Freut Euch also in den nächsten Tagen auf eine Straßenbahn-Reise durch die vom Wiederaufbau geprägte Magdeburger Innenstadt - aus dem Blickwinkel der Ansichtskarten-Fotografen.

Zum Start gibt es das Titelbild einer Ansichtskartenserie, die 1977 zum 100. Jubiläum der Magdeburger Straßenbahn aufgelegt wurde. Das ist auch schon wieder 44 Jahre her!

Urhebervermerk: Planet-Verlag Berlin | Foto: unbekannt | Alter Markt mit Magdeburger Reiter, Tatra-Doppeltraktion biegt in die Hartstraße ein | 1977 | Sammlung Ralf Kozica

(Inspiriert wurde die Ansichtskarten-Reise durch den Künstler und Ansichtskartensammler Reinder Wijnfeld und den Architekten Martin Maleschka. Text unter Verwendung von Passagen aus »Städtebau in Magdeburg 1945 – 1990«, Stadtplanungsamt Magdeburg, 1998)



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/a.2020230394808868/2020230224808885

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #1 am: 21. Juli 2021, 15:46:48 »
Bevor der Wiederaufbau der am 16. Januar 1945 zerstörten Stadt beginnen konnte, wurde weiträumig enttrümmert. Wer aus dem Hauptportal des Magdeburger Hauptbahnhofes trat, dem präsentierte sich viele Jahre lang eine nahezu leere Fläche bis hin zur Elbe. Auch nach dem Wiederaufbau blieben die Areale zwischen Bahnhofstraße und Otto-von-Guericke-Straße unbebaut. Die Straßenbahn-Trassen folgten dem alten Verlauf durch die Kantstraße, Bahnhofstraße und Am alten Theater, die verschiedenen Straßenbahn-Linien bedienten den Bahnhof eingleisig im Richtungsverkehr.

Zur zeitlichen Einordnung: Das Bild zeigt einen Gotha-Zug der Linie 12, der gerade die Haltestelle Kantstraße erreicht. Die Linie 12 verkehrte ab 1961 zwischen Westerhüsen und Olvenstedter Platz, dorthin ist der abgebildete Zug unterwegs.

Straßenbahnen dieses Zweiachser-Typs lieferte der VEB Waggonbau Gotha ab 1960 an die Magdeburger Verkehrsbetriebe. Die MVB startete im Frühjahr 1964 die Einführung des schaffnerlosen OS-Betriebs. Dazu wurden alle vorhandenen Gotha-Wagen auf der Linie 2 eingesetzt. Sie waren für den Zahlboxbetrieb bestens geeignet, denn sie besaßen selbsttätig öffnende und schließende Türen und die zur Ergänzung der optischen und akustischen Abfahrtssignaleinrichtungen erforderliche 24-Volt-Kleinspannungsanlage.

Das Aufnahmedatum des Fotos müsste also zwischen 1961 und 1964 liegen.

Urhebervermerk: Gebr. Garloff KG, Magdeburg | Foto: unbekannt | MAGDEBURG - Hauptbahnhof | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/a.2020230394808868/2020830484748859

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #2 am: 22. Juli 2021, 07:05:13 »
Beim Verlassen des Hauptbahnhofes fiel den in Magdeburg angekommenen Bahnreisenden das Hotel »International« in der Otto-von-Guericke-Straße ins Auge. Der Architekt Heinz Scharlipp erhielt im Wettbewerb für das Hotel »International« den 1. Preis und auch den Zuschlag für dessen Realisierung (1960 – 62, gemeinsam mit Günter Boy und H. Folgert). Es wurde 1963 als HO-Hotel eröffnet und ab 1965 in die neu gegründete Interhotel-Kette integriert. 1992 übernahm die Maritim-Gruppe das Hotel, ließ es 1993 abreißen und an gleicher Stelle einen Neubau errichten. Das neue Maritim-Hotel eröffnete 1995.

Die Bildagentur ADN-Zentralbild berichtete damals: Eines der schönsten und modernsten Hotels der DDR, das Hotel »International«, hatte am 27. Juli 1963 72 Tage vorfristig seine Pforten geöffnet. 425 Gästen stehen 361 komfortabel ausgestattete Zimmer zur Verfügung. Im Restaurant »Moskwa« mit 192 Plätzen und im Café »Wien« mit 190 Plätzen wird für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt. Außerdem stehen Frühstückszimmer, Räume für Tagungen u.a. zur Verfügung - abends lockt die exklusive »Juanita-Bar«.

Ein Gotha-Gelenkzug biegt aus der Straße Am alten Theater in die Otto-von-Guericke-Straße ein. Vermutlich ist er auf der Linie 2 in Richtung Buckau unterwegs. 1961 erhielt die MVB vom Waggonbau Gotha 2 Fahrzeuge des aus dem T-57 entwickelten und als Einrichtungsfahrzeug ausgeführten Gelenkwagen-Typs G 4-61. Ab 1965 fuhr die Linie 2 über die Karl-Marx-Straße. Das Foto ist daher vermutlich zwischen 1963 und 1965 aufgenommen worden. Die Karte trägt auf der Rückseite den Poststempel 24.7.1967.

Urhebervermerk: Gebr. Garloff KG, Magdeburg | Foto: unbekannt | MAGDEBURG – Otto-von-Guericke-Str. | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/pcb.2021322794699628/2021320361366538/

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #3 am: 22. Juli 2021, 07:06:00 »
Diese Karte zeigt einen Gotha-Großraumzug, der in die Haltestelle vor dem Interhotel »International« in der Otto-von-Guericke-Straße einfährt. Der Waggonbau Gotha lieferte die vierachsigen Fahrzeuge des Typs T4-62/B4-61 zwischen 1962 und 1964 nach Magdeburg. Sie waren nur wenige Jahre auf der Linie 3 im Einsatz. Mit der Einführung der Tatra-Wagen wurden alle Gotha-Großraumwagen 1969/70 an die Berliner Verkehrsbetriebe BVB abgegeben.
Die Karte wurde am 3.12.72 abgestempelt. Das Foto entstand zwischen 1963 und 1970.

Urhebervermerk: Graphokopie H. Sander KG, 1071 Berlin | Foto: unbekannt | Magdeburg – Interhotel »International« | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #4 am: 22. Juli 2021, 07:06:36 »
Der als Linie 2 beschilderte Gotha-Dreiwagenzug macht die Typenparade der Gotha-Wagen vor dem Hotel »International« komplett. Die selbst heute noch modern und formschön wirkenden Fahrzeuge des Typs T-57/B-57 lieferte der VEB Waggonbau Gotha 1960 als Zweirichtungswagen. Sie wurden bereits 1965 zu Einrichtungswagen umgebaut. Das Aufnahmedatum des Fotos ist zwischen 1963 und 1965 anzusetzen.

Urhebervermerk: Gebr. Garloff KG, Magdeburg | Foto: unbekannt | Magdeburg – Hotel »International« | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/pcb.2021322794699628/2021320374699870

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #5 am: 23. Juli 2021, 09:33:17 »
Einen Versuch wäre es wert, mit dem Minibus eine Stadtrundfahrt zu unternehmen …

Immerhin berichtete die Bildagentur ADN-Zentralbild am 17. Oktober 1969: »Beliebt bei Einwohnern und Gästen sind diese hübschen und bequemen Minibusse. Seit einem Jahr fährt der erste, seit einem halben Jahr der zweite Bus bei Stadtrundfahrten und im Kulturpark Rotehorn. Die Spezialfahrzeuge, entstanden auf Initiative der Autoreparaturbetriebe von Magdeburg-Süd, haben inzwischen 36 000 Gäste befördert.«

Aus eigener Erfahrung weiß unser Vereinsmitglied Ralf, dass es ein beinahe aussichtsloses Unterfangen war, auf einen Platz im weinroten Rotehorn-Express zu hoffen. Auf der Ansichtskarte ist nur eine sehr verkürzte Warteschlange zu sehen.

Da hatte man größere Erfolgschancen, an einem Tisch im Restaurant Moskwa des im Hintergrund abgebildeten Interhotels »International« platziert zu werden. Die Karte wurde laut Poststempel am 23.5.78 versandt. Das Foto links oben zeigt den Minibus am Startpunkt in der Kantstraße, die Mitte der 1990er Jahre mit dem City Carré überbaut wurde.

Urhebervermerk: PLANET-VERLAG BERLIN | Foto: unbekannt | Minibusse des Kulturparks Rotehorn, Magdeburg – Park- und Stadtrundfahrten | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/a.2020230394808868/2022502571248317/

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #6 am: 24. Juli 2021, 23:15:35 »
Die beiden Punkthäuser an der Kreuzung Wilhelm-Pieck-Allee/Otto-von-Guericke-Straße bilden das Entree zum Zentralen Platz. Die repräsentativen Gebäude im heute »Sozialistischer Klassizismus« genannten Stil der »Nationalen Tradition« wurden in den Jahren 1953 bis 1957 nach einem Wettbewerbsentwurf von Edmund Collein (»Konsultant« und Stadtplaner, Mitautor der »16 Grundsätze des Städtebaus«), Johannes Kramer (Chefarchitekt Magdeburg), Horst Heinemann (stellv. Chefarchitekt) und H. Sauer errichtet. Zwischen dem Entwurf und der Grundsteinlegung lag der Tod Stalins, weswegen sich die daraus resultierende Unsicherheit beim Berliner Konsultanten und Kandidaten des ZK der SED Collein in nicht enden wollender Kritik an den Planungen entlud. Im Ergebnis vieler Diskussionen und Änderungen entstand ein zur Elbe hin offener und unfertiger Platz.

Im Haus mit dem markanten, nachts rot erleuchteten Signet des VEB Schwermaschinenbau »Ernst Thälmann« fanden sich großzügige Geschäftsräume im Erdgeschoss und der 1. Etage. Anfangs verkaufte die HO hier Wohnraumtextilien, später zog die Jugendmode »sonnidee« ein.

Der Gotha-Straßenbahnzug ist auf der Linie 2 unterwegs, die seit 1961 von der Alten Neustadt nach Buckau über die Erzberger- und Otto-von-Guericke-Straße fuhr. Um den Hauptbahnhof zu bedienen, unternahm sie noch einen Abstecher durch die Kantstraße. Dieser Moment ist im Foto festgehalten. 1965 wurde der Straßenbahnverkehr in der Erzbergerstraße eingestellt, die »2« fuhr danach durch die Karl-Marx-Straße (heute Breiter Weg). Das Motiv wurde demnach zwischen 1961 und 1964 fotografiert, die Karte trägt den Poststempel vom 22.5.64.

Die selbst heute noch modern und formschön wirkenden Fahrzeuge des Typs T-57/B-57 lieferte der VEB Waggonbau Gotha 1960 als Zweirichtungswagen. Sie wurden bereits 1965 zu Einrichtungswagen umgebaut.

Urhebervermerk: Gebr. Garloff KG, Magdeburg | Foto: unbekannt | Magdeburg – Otto-von-Guericke-Straße/Wilhelm-Pieck-Allee | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/pcb.2023069984524909/2023066784525229/


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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #7 am: 24. Juli 2021, 23:16:21 »
April 1963: Eine modisch behütete Zeitkarteninhaberin genießt die Frühlingssonne und lässt sich den Wind während der Fahrt über die Kreuzung Wilhelm-Pieck-Allee/Otto-von-Guericke-Straße um den Pelzkragen wehen.

Anstelle eines Gotha-Zuges verkehrt auf der »2« der 1928 zum Zweiachser umgebaute Maximum-Triebwagen 48, erbaut 1899 bei Falkenried, mit zwei LOWA-Beiwagen als »Zz«-Zug.

Urhebervermerk: Foto: Wolfgang Schreiner, Leipzig | Sammlung IGNah



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/pcb.2023069984524909/2023066807858560

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #8 am: 25. Juli 2021, 18:59:24 »
Blick vom Hauptbahnhof nach Osten zur Kreuzung Wilhelm-Pieck-Allee/Otto-von-Guericke-Straße, wo sich auch die Straßenbahntrassen kreuzen.

Es fehlen noch das Gebäude der DEWAG (ganz links am Bildrand), das Apartmentwohnhaus, das später »Blauer Bock« genannt wird, und ein (nie realisiertes) alles überragendes Verwaltungshochhaus als Abschluss des Zentralen Platzes zur Elbe hin. Das Hochhaus-Modell ähnelte zunächst der Moskauer Lomonossow-Universität und war als Rathaus gedacht. Später wandelte sich der Entwurf zu einer überdimensionalen Schraubenmutter als »Haus des Schwermaschinenbaus«. Das Projekt verschwand 1971 in der Schublade, dem Mangel an Geld sowie Baukapazität und letztlich auch der Priorisierung des Wohnungsbaus geschuldet.

Die Ulrichskirche, die den Platz dominiert hätte, passte nicht ins neue Stadtbild und wurde 1956 gesprengt. Auch die Heilig-Geist-Kirche störte beim sozialistischen Wiederaufbau im Stil der »Nationalen Tradition« und wurde im Mai 1959 gesprengt.

Die Straßenbahnen fuhren erstmalig am 16. September 1955 über die neue Ost-West-Straße, die 1956 den Namen Wilhelm-Pieck-Allee erhielt (heute Ernst-Reuter-Allee).
Die Erzbergerstraße verlor erst 1965 die Straßenbahntrasse zugunsten des Nordabschnitts der Karl-Marx-Straße, der autofrei gestaltet wurde. Die Erzbergerstraße blieb den Autos vorbehalten. Eine schon damals umstrittene Entscheidung, die bis heute den Straßenbahnverkehr auf einer einzigen Nord-Süd-Innenstadtstrecke durch einen störanfälligen Flaschenhals dirigiert.
Das Foto dürfte also Anfang der 1960er Jahre entstanden sein.

Urhebervermerk: Verlag KONSUM FOKU Magdeburg | Foto: unbekannt | Magdeburg – Wilhelm-Pieck-Allee | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Bei der Orientierung soll der Ausschnitt aus dem Stadtplan Magdeburg von 1968 unterstützen.

Stadtplan Magdeburg, Innenstadt-Ausschnitt

Urhebervermerk: VEB Landkartenverlag Berlin | Kartographie: VEB Landkartenverlag, Velhagen & Klasing, Leipzig | Stadtplan Magdeburg, Nr. S/211 | 1968 | Sammlung Ralf Kozica



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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #9 am: 27. Juli 2021, 19:47:31 »
Die Straßenbahntrasse durch die neue Ost-West-Straße wurde am 16. September 1955 erstmalig befahren. Im Januar 1956 erhielt sie den Namen Wilhelm-Pieck-Allee. Der Bau der Straße und der nördlich angrenzenden Gebäude wurde von 1953 bis 1955 realisiert.

Überliefert ist, dass zwischen Juni und August 1955 Läden für Molkereiprodukte, Kosmetik, Uhren und Schmuck, Bekleidung und der langersehnte Rostocker Fischladen mit großem Jubel eröffnet wurden.

Auf dieser und der folgenden Ansichtskarte ist zu sehen, dass an der südlichen Fahrbahn (rechts im Bild) noch gebaut wird und die Straßenbahngleise auch noch nicht ihre endgültige Lage erhalten haben.

Typisch für die Linie 4 waren die ungewöhnlichen und komfortablen Hechtwagen-Züge. Von den einst 18 Triebwagen konnten 15 nach dem 2. Weltkrieg wieder im Liniendienst eingesetzt werden. Zu den Triebwagen gab es insgesamt 10 passende Beiwagen, 9 davon überstanden den Krieg. Die Triebwagen wurden zwischen 1971 und 1973, die Beiwagen 1975 verschrottet. Dank engagierter Straßenbahnenthusiasten ist als letzter Vertreter der Triebwagen 70 als historischer Wagen erhalten geblieben und kann bei Sonderfahrten bewundert werden.
Die Karte trägt den Poststempel vom 19.12.59.

Urhebervermerk: Gebr. Garloff, Magdeburg | Foto: unbekannt | Magdeburg – Wilhelm-Pieck-Allee | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #10 am: 27. Juli 2021, 19:48:15 »
Die markante Wein-Arkade. Gleicher Blick, andere Straßenbahnen. Die Fahrzeuge des Aufbauwagen-Typs entstanden auf noch brauchbaren Fahrgestellen kriegsbeschädigter Wagen. Der Triebwagen 172 wurde 1952 im Waggonbau Gotha gefertigt, auch der mittlere Beiwagen entstand dort. Der zweite Beiwagen ist ein Aufbauwagen Werdauer Bauart. Aus der Not heraus entstanden stellten diese Wagen mit Holzbänken und etwas rumpligem Fahrgefühl den kompletten Gegensatz zu den Hechtwagen dar. Aber wie sagt man in Magdeburg: Libber schlecht jefoahrn als wie jut jeloofen. Die Aufbauwagen wurden 1969 und 1976 sukzessive ausgemustert und verschrottet.

Urhebervermerk: Verlag KONSUM FOKU Magdeburg | Foto: unbekannt | Magdeburg – Wilhelm-Pieck-Allee | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/pcb.2025080627657178/2025079650990609

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #11 am: 27. Juli 2021, 19:49:05 »
Das südliche der beiden Punkthäuser an der Kreuzung Wilhelm-Pieck-Allee/Otto-von-Guericke-Straße. Die repräsentativen Gebäude im heute »Sozialistischer Klassizismus« genannten Stil der »Nationalen Tradition« wurden in den Jahren 1953 bis 1957 nach einem Wettbewerbsentwurf von Edmund Collein (»Konsultant« und Stadtplaner, Mitautor der »16 Grundsätze des Städtebaus«), Johannes Kramer (Chefarchitekt Magdeburg), Horst Heinemann (stellv. Chefarchitekt) und H. Sauer errichtet. Im Ergebnis vieler Diskussionen und Änderungen entstand ein zur Elbe hin offener und unfertiger Platz.

Im Haus mit dem markanten, nachts rot erleuchteten Signet des VEB Schwermaschinenbau »Ernst Thälmann« fanden sich großzügige Geschäftsräume im Erdgeschoss und der 1. Etage. Anfangs verkaufte die HO hier Wohnraumtextilien, später zog die Jugendmode »sonnidee« ein.

Die beiden Wagen des Straßenbahnzuges sind typisch für das Magdeburger Stadtbild. Die Wagennummern sind unleserlich. Die meisten Wagen der Triebwagen-Bauart entstanden bei Christoph & Unmack in Niesky. Der Beiwagen war mal ein Triebwagen aus der Anfangszeit der »Elektrischen«. 60 dieser Triebwagen wurden 1928/29 von der Waggonfabrik Dessau zu Beiwagen mit geschlossenen Perrons umgebaut. Bei dieser Modernisierung erhielten sie ein neues Fahrgestell, das eine größere Wagenlänge ermöglichte. Einige Fahrzeuge liefen bis 1976 auf der Linie 10. Je ein Vertreter dieser Wagen ist heute als historisches Fahrzeug erhalten, der Triebwagen 124 und der Beiwagen 352.

Der Triebwagen wirbt für ein Damenmodegeschäft am Zentralen Platz: »kleide dich nett im adrett«. Und ein weiteres Detail ist erst bei genauem Hinsehen erkennbar: Die Ampel zeigte damals auch noch für Fußgänger die drei Farben rot, gelb und grün.

Zur zeitlichen Einordnung: Der Trabant P 50 ging 1958 in Serienproduktion. Anfang 1965 wurde die Straßenbahn aus der Erzbergerstraße und der nördlichen Otto-von-Guericke-Straße verbannt. Das Motiv wurde demnach zwischen 1958 und 1964 fotografiert, die Karte trägt den Poststempel vom 11.2.65.

Urhebervermerk: GEBR. GARLOFF KG MAGDEBURG | Foto: unbekannt | Magdeburg – Wilhelm-Pieck-Allee – Otto-von-Guericke-Straße | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #12 am: 27. Juli 2021, 19:49:47 »
Die Ansichtskarte zeigt die nördliche Seite der Wilhelm-Pieck-Allee. Das nördliche Punkthaus im Hintergrund betitelten die Magdeburgerinnen und Magdeburger nach dem Ladengeschäft »Wein-Arkade«. Unter diesem Namen ist die Ecke bis heute ein Begriff: »Wo wolln wern uns treffen? Anne Wein-Arkade?«

Diese Karte ist auch ein Meisterstück der Retusche. Beim genauen Hinschauen erkennt man, dass der Beiwagen des Hechtwagen-Zuges gar keine Vorderperron-Tür, sondern stattdessen ein Fenster mit Oberlichtklappe hat. Und auch die Blumenrabatte und der Spazierweg wirken »stark überarbeitet«. Der Retuscheur oder die Retuscherin hat es hier mit der Ausfleckretusche etwas zu gut gemeint und nicht nur Fehler oder unerwünschte Bildteile beseitigt, sondern gleich noch den Straßenbahn-Beiwagen optimiert. Immerhin hatten wir jetzt Gelegenheit, an einen ausgestorbenen Beruf zu erinnern.

Die Karte trägt den Poststempel 13.4.67.

Urhebervermerk: Verlag KONSUM FOKU Magdeburg | Foto: unbekannt | Magdeburg – Wilhelm-Pieck-Allee – Otto-von-Guericke-Straße | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #13 am: 27. Juli 2021, 19:50:25 »
Auf dieser Karte ist die südliche Bebauung des Zentralen Platzes an der Krügerbrücke abgebildet. Krügerbrücke hieß die Anliegerstraße im Vordergrund (heute Ulrichplatz). Um den Häuserblock mit dem südlichen Punkthaus bei bestem Licht zu fotografieren, musste der Fotograf oder die Fotografin früh aufstehen, denn nur am frühen Morgen scheint die Sonne von Osten auf die Gebäudefassade. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb die Szenerie menschenleer ist. Neben dem Haushaltwaren-Geschäft gab es in den Arkaden ein Foto-Kino-Fachgeschäft sowie ein Uhren-und-Schmuckgeschäft. Beide firmierten unter dem Namen Kontaktring, einer Handelsgemeinschaft, die Produkte von Konsum und HO anbot.

Auch bei dieser Karte hat die Retuscheabteilung Straße, Parkweg und Blumenrabatte meisterhaft »aufgeräumt«. Die Karte wurde am 26.1.62 abgestempelt.

Urhebervermerk: Gebr. Garloff KG Magdeburg | Foto: unbekannt | Magdeburg – Wilhelm-Pieck-Allee | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/pcb.2025591947606046/2025588437606397

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Re: Ansichtskartenreise mit der Magdeburger Straßenbahn
« Antwort #14 am: 28. Juli 2021, 14:42:16 »
Das Hauptmotiv dieser Mehrbildkarte zeigt die südliche Bebauung des Zentralen Platzes. Die Straßenbahn fährt gerade in die Ladenstraße im Südabschnitt der Karl-Marx-Straße (heute Breiter Weg) in Richtung Hasselbachplatz.

Für diese Gebäude im Südost-Bereich des Zentralen Platzes wurde erst 1960 Richtfest gefeiert. Sie weisen im Vergleich zu den Gebäuden im Stil der »Nationalen Tradition« eine deutlich reduzierte Formensprache, kleinere Wohnungen und weniger großzügige Treppenhäuser auf.

Das »Blitz-Gastronom« war eine Selbstbedienungs-Gaststätte für den schnellen Imbiss zwischendurch. Das gastronomische Niveau kippte etwas, nachdem das Centrum-Warenhaus mit dem großen Kundenrestaurant eröffnete. Rechts neben dem »Blitz-Gastronom« befanden sich in einem Flachbau noch zwei Verkaufsfenster. In einem davon verkaufte eine freundlich-rundliche Frau unermüdlich Rostbratwürste vom Elektrogrill zu 0,95 Mark das Stück mit Senf und Brot. Die Wartezeit konnte sich das ungeduldige Kind mit einer gigantischen Fassbrause, die es beim Getränkewirt im Fenster nebenan für wenige Pfennige zu kaufen gab, vertreiben.

Links neben dem Blitzgastronom befanden sich noch das »Saffia«, ein Taschen- und Lederwarengeschäft, der Fernseh- und Rundfunkladen »bild und ton« sowie das Röstfein-Kaffeegeschäft »Aroma«.

Urhebervermerk: GEBR. GARLOFF KG MAGDEBURG | Foto: unbekannt | Magdeburg: Dom – Karl-Marx-Straße – Kulturhistorisches Museum | undatiert | Sammlung Ralf Kozica



Quelle: https://www.facebook.com/IGNah.net/photos/pcb.2027053027459938/2027048650793709/

 

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